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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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Gentleman mittleren Alters aus mit seinem säuberlich gestutzten Bart und der beginnenden Glatze. Sein Gesicht war weder gütig noch streng und seine wohlgenährten Wangen standen im Gegensatz zu seinen besorgten Stirnfalten und dem Zucken unter dem linken Auge. Also war es gleichermaßen wahrscheinlich und unwahrscheinlich. Abgesehen davon war es im eigentlichen Sinne nicht ungesetzlich, Tee statt Bier anzubieten. Der Kostenplan der Baustelle ließ solche Freiheiten wohl zu.
    Ihre Gedanken wanderten zu den Maurern zurück: zu Keenans Gewalttätigkeit, die Fragen bezüglich Reids Prellungen aufwarf. War Reid ein gewohnheitsmäßiger Schlägertyp? Von der Sorte, die betrunken und aggressiv wurde und Gewalt als Ventil brauchte? Oder hatte es mit seinen Prellungen mehr auf sich? Er hatte doch ganz freundlich gewirkt, verglichen mitKeenan. Reids blaues Auge bedeutete vielleicht nichts, aber sie wollte es dennoch nicht außer Acht lassen.
    Von der Kirche schlug es sieben und Rogers schnarchte immer noch. Wollte der denn überhaupt nicht aufwachen? Mary blieb still liegen und lauschte den erwachenden Haushaltsgeräuschen. Knarrende Böden. Heftiges Husten. Fußtritte auf den Treppenstufen, die keine Läufer hatten. Draußen betätigte jemand einen Brunnenschwengel und füllte einen Eimer mit Wasser. Bei dem Geplätscher meldete sich ihre Blase heftig. Sollte sie es riskieren? Sie würde zu spät zur Arbeit kommen, wenn sie noch länger wartete. Vielleicht war sie sowieso schon zu spät dran. Aber was, wenn Rogers aufwachte, während sie auf dem Nachttopf saß? Eine quälende halbe Minute lang starrte sie an die Decke. Nein. Sie musste es wagen.
    Gerade, als sie vorsichtig die Beine über die Bettkante schwang, ging sein lautes Schnarchen in Niesen über. Sofort legte sie sich wieder zurück, schloss die Augen und stellte sich schlafend. Rogers gähnte, nieste und gähnte wieder. Endlich spürte sie, wie er sich bewegte und aufsetzte. Er grunzte und nieste erneut. Dann zog er mit einem Stöhnen den schweren Eimer unter dem Bett hervor. Es folgte ein langes, spritzendes und zischendes Abschlagen des Wassers, bei dem ihre eigene Blase fast platzte. Mary biss die Zähne zusammen. Sie hörte, wie er seine Stiefel zuschnürte und ein paar Minuten herumstampfte, dannendlich knallte die Tür hinter ihm zu. Sie wartete noch zehn Sekunden   – mehr schaffte sie nicht   –, dann stürzte sie aus dem Bett und setzte sich auf den fast vollen Eimer.
    Blitzartiges Waschen. Ein Schüsselchen Haferbrei. Gestreckter Galopp zum Hof des Parlamentsgebäudes. Als Mary außer Atem und schwitzend ankam, stellte sie fest, dass sie zu den Ersten auf der Baustelle gehörte. Es war seltsam, keiner sprach über den Einbruch letzte Nacht. War er noch nicht bemerkt worden? Harkness’ Büro sah ja immer so aus, als ob es durchwühlt worden sei, es war also nicht wahrscheinlich, dass ein kleineres Durcheinander bemerkt wurde. Und der Mann schien gewusst zu haben, wonach er suchte. Er hatte nur ein paar Sekunden gebraucht, bis er den Gegenstand gefunden hatte. Mary hoffte, dass das die Erklärung dafür war. Die andere   – beunruhigendere   – Möglichkeit war, dass die Männer nicht darüber reden wollten, solange sie in der Nähe war.
    Als sie an den Schreinern vorbeikam, winkte sie einer mit gekrümmtem Zeigefinger herbei.
    »Sir?«
    »Schon mal Nägel grade geschlagen, Kleiner?«
    »Nein, Sir.«
    »Na gut. Also, du musst dir dabei Zeit lassen und nicht zu schnell machen. Sonst schlägst du dir auf den Finger und verbiegst den Nagel endgültig, und dann müsste ich dich auch schlagen.« Er kicherte über seinen kleinen Scherz, während er ihr die Technik zeigte. »Siehst du, so. Jetzt versuch du es mal.«
    Mary hob den Hammer, den er ihr gegeben hatte, und versuchte seine geschickten Bewegungen nachzumachen. Das Ergebnis war zwar nicht ganz schlimm   – sie hatte den Nagel nicht weiter verbogen   –, aber gerade war er bei Weitem nicht. Sie zog die Brauen zusammen. »Ich werd gleich besser.«
    Der Schreiner schnaubte. »Nicht, wenn du den Hammer so hältst, Junge. Was meinst du, was das ist   – ’ne Bratpfanne?« Er zeigte ihr, wie man ihn richtig hielt. »Versuch’s noch mal.«
    Nächster Versuch. Schon etwas besser.
    »Man merkt, dass du noch nichts Ordentliches gearbeitet hast«, sagte er einigermaßen freundlich. »Hast ja Hände wie ein kleiner Prinz, echt. Versuch’s noch mal.«
    Mary wurde rot. Ihre Fingernägel waren zwar

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