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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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ging. Sie machte ein paar unsichere Schritte, dann blieb sie stehen. Der Anblick des Sarges schien ihr ihre Lage deutlich zu machen. Sie starrte mit großen Augendarauf und riss den Mund auf. Einen Augenblick später sank sie geräuschlos zu Boden.
    Reid fing sie auf, ehe sie aufschlug. Seine Arme waren hervorgeschnellt, um sie festzuhalten, ehe die anderen Männer überhaupt etwas bemerkten. Keenans ständig zusammengezogene Brauen krampften sich noch heftiger zusammen   – vor Wut?   –, dann glättete sich sein Gesicht zu einem teilnahmslosen Ausdruck. Er wartete, während sich die Nachbarinnen mit Fächern und Riechsalz um Mrs Wick bemühten, sie Reid aus den Armen nahmen und sie stützten.
    In einem neuen Versuch setzte die kindliche Witwe ein Trauergesicht auf, ballte ihre schwarz behandschuhten Hände zu Fäusten und ging auf die erste Kutsche zu. Der Mietkutscher half ihr hinein. Respektvoll folgten ihr die vier Männer und stiegen in die zweite Kutsche. Das war’s. Innerhalb einer Minute war die gesamte Prozession auf dem Weg.
    Einem Trauerzug zu folgen war heikler als gedacht. Nur gut, dass Mary immer noch als Kind gekleidet war, ein Junge, von dem man nicht unbedingt korrektes Betragen erwartete. Trotzdem hatte sie Angst, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wenn einer der Maurer sie entdeckte, würde er sie erkennen, und sie wollte nicht riskieren, sich Keenan gegenüber schon wieder rechtfertigen zu müssen.
    Die Pferde trotteten dahin und zwangen alle in den Straßen, die sie passierten, einen Moment innezuhalten   – selbst auf der Southwark Bridge Road. Schließlich gelangte die Prozession wieder in schmalereStraßen. Als sie vor einer kleinen Methodistenkirche anhielt, stellte Mary überrascht fest, dass sie nur ein paar Blocks vom Haus der Wicks entfernt waren. Offensichtlich war der Zug also reine Formsache gewesen.
    Mary sah interessiert zu, wie die Helfer die Stufen der Kutsche herunterklappten. Obwohl Damen bei Beerdigungen nicht anwesend waren, da sie für zu zartbesaitet, zu gefühlvoll, zu leicht aus der Fassung zu bringen gehalten wurden, galt das für Arbeiterfrauen nicht. Wenn Mrs Wick stark genug war, um den Leichnam ihres Mannes für die Beisetzung vorzubereiten, dann konnte sie auch seiner Beerdigung beiwohnen.
    Doch nur die Maurer stiegen aus, strichen sich sorgsam die Sonntagsanzüge glatt und nahmen den Sarg erneut auf die Schultern. Statt ihn in die Kirche zu tragen, gingen sie um das Gebäude herum auf den Friedhof. Am Eingangstor zögerten sie. Einer der Maurergehilfen   – Mary konnte von hinten nicht sehen, welcher   – wankte etwas, und der Sarg kippte ein wenig, sodass der Blumenschmuck zur Seite rutschte. Es gab eine eilige Absprache zwischen den Sargträgern, in deren Verlauf sich Reid mit besorgter Miene nach den Kutschen umsah. Dann marschierten sie feierlich weiter.
    Erst, als sie das Tor passiert hatten, sah Mary, was sie aufgehalten hatte: eine rundliche Gestalt in dunklem Anzug, ein Mann, der einen Schirm umklammerte. Er stand neben dem offenen Grab und wirkteseltsam verschlossen. Mary konnte nicht näher herangehen, ohne aufzufallen. Aber sie konnte erkennen, dass zwischen Harkness und Keenan kein Wort fiel. Die vier Männer hoben den Sarg auf eine für die sen Zweck aufgestellte Platte, dann verteilten sie sich locker darum herum, wobei sie zwischen sich und Harkness eine bedeutungsvolle Lücke ließen. Dieser Versuch, die Gruppe größer wirken zu lassen, misslang kläglich. Es war erbärmlich klar, dass nur wenige Lust hatten, Wick ins Jenseits zu geleiten.
    Der Pastor, der behände den Weg entlangeilte, die Bibel fest in der Hand, schien betroffen von der geringen Zahl der Trauergäste. Während er sich räusperte, um anzufangen, warf Reid erneut einen flüchtigen Blick zu den Kutschen. Er konnte Mrs Wick nicht gesehen haben. Es war wohl nur ein nervöser Reflex. Aber Keenan strafte ihn dennoch mit einem finsteren Blick.
    Die Traueransprache war kurz. Eine knappe Predigt, eine noch kürzere Lesung, kein Lied. In weniger als zehn Minuten schlangen zwei Friedhofshelfer gekonnt zwei Seile um den Sarg und ließen ihn langsam ins Grab hinab. Die vier   – nein, fünf   – Trauernden sahen zu, wie die erste Schaufel Erde auf den Deckel fiel, feucht und klumpig. Nach einer angemessenen Pause zog der Totengräber seine Mütze und nickte einmal. Damit endete die Zeremonie.
    Die Maurer begriffen augenblicklich. Nur Harkness, den Blick auf das Grab

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