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Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn

Titel: Eine fast perfekte Tarnung Meisterspionin Mary Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Y Lee
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das Handwerkszeug eines Bauzeichners. Sie zog die anderen Schubladen auf: Briefpapier. Eine Handvoll Briefmarken. Eine Postkarte aus Margate von einer gewissen »Hetty«. Eine Akte mit Zeitungsausschnitten über den Uhrenturm (nur positive Äußerungen). Und schließlich, in der untersten Schublade, die Dinge, nach denen sie suchte, säuberlich aufeinandergestapelt wie Geschenke.
    Scheckheft und Bankauszüge.
    Sparbuch.
    Sie unterbrach sich, um zu lauschen. Das Gemurmel höflicher Konversation im Esszimmer schwoll an und verebbte wie die Gezeiten, nur bisweilen von Gelächter durchbrochen. Ein Mann hatte ein hohes, wieherndes, schnaubendes Lachen, das die anderen übertönte. Wer das wohl sein mochte? Und wie mochte es James gehen, der nur widerwillig an Harkness’ Tisch saß? Weiterhin fragte sie sich   –
    Aber dazu war nicht die Zeit. Ohne Umschweife schlug sie das Scheckheft auf. Harkness stellte wohl nicht viele Schecks aus, außer um Geld abzuheben.Und wenn die monatlichen Summen auch überraschend hoch erschienen, blieben sie doch einigermaßen konstant. Obwohl   … Mary blätterte zurück. Im Verlauf des letzten Jahres waren die Summen, die Harkness abgehoben hatte, ständig angestiegen. Wahrscheinlich höhere Haushaltskosten, nahm Mary an. Oder vielleicht war das Haus renoviert worden oder die ganze Familie hatte sich neu einkleiden lassen. Die Familie schien gerne Geld auszugeben. Aber vielleicht hatte Harkness ja Privatvermögen.
    Das Sparbuch sprach jedoch eine andere Sprache. Der letzte Eintrag, der vielleicht sechs Monate zurücklag, verriet, dass Harkness sein Konto um zweihundert Pfund überzogen hatte. Zweihundert Pfund, das war   – wie viel? Ein Drittel oder gar die Hälfte seines Jahreseinkommens. Es war auf jeden Fall mehr, als die meisten Leute pro Jahr verdienten, und viel mehr, als Peter Jenkins im ganzen Leben zu Gesicht bekommen würde. Und es gab keine weiteren Einträge, die darauf hindeuteten, dass die Summe wieder ausgeglichen worden war.
    Jetzt begann sie die übrigen Schubfächer mit mehr Ernst zu durchstöbern und nach weiteren Unterlagen zu suchen. Wenn Harkness sein Konto vor sechs Monaten überzogen und noch nicht ausgeglichen hatte, dann gab es sicher noch andere Darlehen. Vielleicht von Familienmitgliedern oder Freunden, von Banken oder gar von solchen privaten Geldverleihern, an die sich nur Verzweifelte wandten. Ihre ganzen Vorbehalte waren jetzt verflogen, und sie musste sichzwingen, nicht zu hastig zu arbeiten. Methodisch zu suchen. Nur das anzufassen, was nötig war. Schließlich konnte man nicht ganz lautlos herumwühlen.
    Letzten Endes fand sie nichts weiter als einen Terminkalender. Er enthielt nur gelegentliche Verabredungen (Dr.   Fowler, 11) oder Familienfesttage (Amys Geburtstag). Doch als sie bis Juli durchblätterte, wurde sie von einem drängenden Gefühl der Eile durchströmt. Die letzte Seite in dem Buch war die vom Sonntag, 10.   Juli: morgen. Sie war ebenfalls leer. Aber alle weiteren Seiten waren herausgerissen worden. Wenn man von Harkness’ Kalender ausging, gab es keine Zukunft. Sie starrte das Buch an und mögliche Erklärungen stürmten auf sie ein. Es handelte sich eindeutig um das Ende von etwas: das Ende seiner Geschäfte mit Keenans Truppe? Oder etwas völlig anderes?
    Sie richtete sich auf und streckte die Muskeln, die vom langen Bücken ganz steif waren. Dabei fiel ihr Blick auf einen Tintenschnörkel am Rand der Schreibunterlage. Er war so anders als die übrigen Kritzeleien: rund, wild und schwungvoll. Er sah wie die Handschrift eines anderen aus. Stirnrunzelnd sah sie sich den Schnörkel genauer an. Verfolgte ihn mit dem Finger und spiegelte die Buchstaben unwillkürlich. Und auf einmal riss sie die Augen auf. Meine Güte. Konnte das sein? Es schien sehr weit hergeholt, aber es war schon möglich. Doch.
    Obwohl es sehr riskant war, riss sie den Rand des obersten Blatts mit dem fraglichen Zeichen ab, dochdann kam ihr noch eine Idee. Aus dem Schubfach mit dem Schreibpapier zog sie vorsichtig einen Bogen heraus und steckte ihn ebenfalls ein. Wieder dröhnte eine gedämpfte Lachsalve aus dem Esszimmer herüber und wieder bekam sie bei dem Hyänenlachen eine Gänsehaut. Als sie sich durch das Fenster zwängte und sich leise in den düsteren Garten fallen ließ, hoffte sie, dass James seinen Abend hier wenigstens in Teilen genoss. Denn was sie ihm vorschlagen würde, das würde ihm auf jeden Fall die restliche Nacht

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