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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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zusammen, als Claire herbeigeschlurft kam und nach einer Kaffeetasse griff. Er war wieder im Hier und Jetzt und die Erinnerungen segelten davon wie Blätter im Wind.
    »Wie spät is’n das?«, nuschelte sie, während sie sich einen Kaffee einschenkte.
    »Noch nicht ganz zwölf.«
    Ihr magentafarbenes Haar roch nach Zigaretten. In ihrem linken Ohr steckten vier silberne Ringe. Jules war dankbar, dass sie wenigstens ihre gepiercte Augenbraue hatte abheilen lassen.
    »Wie war’s gestern Abend?«, fragte er.
    Claire lehnte sich an die Theke und zuckte die Achseln. »Hab Marcel getroffen.«
    »Jetzt, wo ihr beide da seid, wird Daedalus die Treize bald einberufen wollen.«
    Claires Gesicht war vollkommen leer, während sie ihren Kaffee in kleinen Schlucken trank. »Jup.«

Kapitel 26
    Clio
    Ich lag auf meinem Bett. Mein tropfendes Haar durchnässte mein T-Shirt. Thais und ich hatten heiß geduscht, Melysa und Ouida hatten uns Baldrian und Katzenminze-Tee gebracht. Jetzt lag ich auf meinem Bett und spürte Melysas und Thais’ Anwesenheit im unteren Stockwerk.
    Richard war es also, der versucht hatte, uns zu töten. Richard, auf den ich mich vor gerade mal zwei Tagen gestürzt und mit dem ich praktisch Sex gehabt hatte. Wie konnte er nur? Er hatte tatsächlich versucht, mich umzubringen. Und mit mir zu schlafen. Ein totaler Psychopath. Es war grauenerregend – vor allem, weil ich seine Absicht nicht erkannt, nicht gefühlt hatte. Ich hatte sie nicht in seinen Augen gesehen, nicht in seinen Berührungen gespürt. Was war nur mit mir los, dass ich nichts gemerkt hatte? Das Gleiche galt auch für Luc. Beide waren mir gefolgt und hatten mich zur selben Zeit betrogen. Alle beide.
    Was um alles in der Welt stimmte nicht mit mir? Und das Schlimmste: Die Gewissheit, dass Richard versucht hatte, mich umzubringen, ließ mich selbst ziemlich mordlüstern werden. Und die Göttin allein wusste, dass Luc nach wie vor auf meiner absoluten Vergiss-es-Liste stand. Und doch … fragte ich mich auch, was an mir eigentlich so seltsam war, dass die beiden mich nicht einfach lieben konnten. Das war so verdreht, so erbärmlich und krank, dass ich gleich wieder zu heulen begann und mein Gesicht in den Kissen vergrub, damit mich niemand hörte.
    Luc begehrte mich nur, weil ich das war, was Thais fehlte. Er hatte Thais geliebt. Und Petra hatte sich gefragt, ob die Tatsache, dass Richard uns umbringen wollte, etwas damit zu tun haben konnte, dass wir Cerise so ähnlich sahen. Cerise, die er geliebt hatte. Sah er mich am Ende gar nicht als Clio, sondern nur als moderne Version von Cerise?
    Ich arbeitete mich durch eine halbe Kleenex-Schachtel und weinte mir fast die Augen aus dem Kopf, so lange, bis mir der Bauch wehtat. Wie viele Male würde ich noch wegen Jungs heulen? Es war schon zu oft gewesen.
    Nächste Frage: Wann konnte ich mich hier loseisen, um Richard selbst zur Rede zu stellen? Ich würde ihm die Lungen rausreißen. Aus irgendeinem Grund hatte ich keine Angst mehr vor ihm, und es kümmerte mich auch nicht, was er als Nächstes anstellen würde. Es war, als wäre ich gegen die Angriffe immun, jetzt, da ich wusste, wer dahintersteckte. Ich brannte vor Wut, und es juckte mich geradezu in den Fingern, das alles an ihm auszulassen. Sobald sich mir die Möglichkeit bot.

Kapitel 27
    Jemand Unsichtbares
    Langsam öffnete Daedalus die Augen. Der Him mel war sichtlich bewölkter, seit er mit seinem Zauber begonnen hatte. Je näher die Dämmerung rückte, desto lauter wurden die Geräusche des Sumpfes. Tiere suchten nach Futter, Vögel machten sich auf die Jagd, und er praktizierte Magie. Seine rechte Handfläche kitzelte. Noch bevor Daedalus einen Blick darauf warf, wusste er, was er sehen würde: eine kleine grüne Kugel, die direkt über seiner Haut schwebte.
    Es hatte funktioniert.
    Noch nie hatte er diesen Zauber praktiziert. Er hatte die Formel in einer alten Handschrift in der Oxford Library in England gefunden. Sie war falsch aus dem Altpersischen übersetzt worden, und Daedalus hatte einen Gelehrten angestellt, um sie neu übersetzen zu lassen. Sein Riecher hatte sich als richtig erwiesen. Soweit er wusste, hatte schon seit Jahrhunderten niemand mehr ein magisches Lokalisierungssystem erschaffen.
    »Geh«, flüsterte er. »Finde den Ring aus Asche.«
    Fünfzehn Minuten später war es so weit.
    Wieder stand Daedalus in dem verkohlten Kreis, der eine Erinnerung an diese eine Nacht, vor langer Zeit, bis in sein Innerstes hinein fühlbar

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