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Eine Feder aus Stein

Eine Feder aus Stein

Titel: Eine Feder aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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dass das immer noch die ganze Zeit passiert«, sagte Claire. »So was von einem Dritte-Welt-Land hier.«
    Undeutlich sah ich den Umriss der Tür vor mir im Dämmerlicht und ging darauf zu, als Luc meinen Arm streifte – ich stand nur ein paar Zentimeter von ihm entfernt. Die flüchtige Berührung setzte eine Kettenreaktion in Gang, die meinen Eispanzer zum Schmelzen brachte. Ich versteifte mich, entzog ihm meinen Arm und lief an ihm vorbei.
    »Wo gehst du hin?« Der Klang seiner leisen Stimme erregte mich. Ich hasste mich dafür.
    »Nach Hause.« Ich öffnete die Tür. Regen peitschte mir entgegen, und der Blitz schlug so dicht neben mir ein, dass ich unweigerlich einen Schritt zurücktrat. Mist. Es würde schrecklich sein, mich durch die Canal Street hindurchzukämpfen, um eine Straßenbahn zu erwischen. Aber ich konnte mich in einem Laden oder in einem Café unterstellen und warten, bis das Gewitter vorübergezogen war. Und noch später nach Hause kommen. Petra würde einen Anfall kriegen.
    »Thais, warte doch, bis sich das Gewitter legt«, sagte Axelle.
    »Wie kann sie die Blitzschläge nur aushalten?«, hörte ich Claire murmeln. »Ich hasse das.«
    »Du kannst da nicht raus.« Hinter mir fühlte ich die Wärme, die von Luc ausging. Was, wenn ich mich einfach zurücklehnte und es zuließ, dass mich seine Arme von hinten umschlangen? Gott, ich war so ein Idiot. Wirklich überaus nett von mir, an so etwas zu denken, wo ich doch Kevin hatte. Ich war schrecklich – und nicht nur dumm, sondern auch noch illoyal.
    Ohne auf irgendjemanden zu hören, lief ich hinaus, direkt in das Unwetter hinein. Sofort prasselte der Regen auf mich herunter, pladderte auf mein Gesicht und mein Haar. Mein Shirt klebte an meinem Körper.
    »Ich nehme dich mit.« Luc drehte sich zu Axelle und Claire um. »Ich fahre Thais zu Petra. Ich bin gleich wieder zurück.«
    »Nein, das wirst du nicht tun«, sagte ich, überquerte den Hof so schnell ich konnte und fand unter der überdachten Auffahrt, die zur Straße führte, einen vorläufigen Unterschlupf. Luc holte mich ein. Wieder berührte er meinen Arm. Diese Geste, der Regen und meine verwirrten Gedanken … Plötzlich hatte ich ein intensives Déjà-vu. Ich sah es geradezu vor mir, wie wir uns zum ersten Mal in unserem Garten, der nur für uns beide bestimmt war, geküsst hatten. Schmerz durchzuckte mich wie ein Blitz, und ich fuhr herum, bereit, ihm den Kopf abzureißen.
    »Bitte«, sagte er sanft. Er ließ die Hände sinken und sah mich an. »Ich werde dich nicht mehr berühren. Ich werde nicht mal mit dir reden, wenn du nicht willst. Aber lass mich dich nach Hause fahren. Mein Auto steht gleich hier.« Er deutete auf den Straßenrand direkt hinter dem schmiedeeisernen Tor. »Es schüttet – und ich kann dich in zehn Minuten heimbringen.«
    Mit einem Mal war ich es leid, ständig in Hab-Acht-Stellung zu sein und mir meinen Schmerz vor Augen zu führen. Das war so anstrengend. Ich strich mir die nassen Fransen aus den Augen, nicht gewillt, weiter darüber nachzudenken. »Gut«, sagte ich. »Von mir aus.«
    Schnell lief Luc durch das Tor, als würde er mich rasch in sein Auto manövrieren wollen, bevor ich wieder zur Vernunft kam. Da, wo das Auto stand, war der Gehweg von einem Balkon überdacht. Luc ging voran, um mir die Beifahrertür aufzumachen – was für ein Gentleman. Ich folgte ihm.
    Spring!
    Das hatte mir mein sechster Sinn zugerufen, und ich gehorchte auf der Stelle, machte einen Satz zur Seite und schubste Luc nach vorne. Den Bruchteil einer Sekunde später krachte ein schwerer metallener Pflanzenkübel direkt neben mir herunter, schürfte mir den Arm auf und kam mit schrecklichem Getöse auf dem Bordstein auf. Erde und Grünzeug fielen heraus und verteilten sich überall um uns herum.
    Ich starrte auf den Metallkübel. Er wog bestimmt an die dreißig Kilo. Hätte er mich getroffen, hätte er mir den Schädel gespalten. Mindestens. Luc und ich lagen halb ausgestreckt auf der Motorhaube hinter uns. Er hatte die Arme um mich geschlungen. Schrecken zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, und er blickte hoch zu dem Balkon, von dem die kaputten, verdrehten Metallstreben des Geländers herunterhingen.
    »Heilige Mutter!«, rief Luc. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Ähm …« Ich wusste es nicht. Ich stand noch unter Schock. Ein dumpfer Schmerz ließ mich auf meinen Arm gucken.
    »Ich hab da eine Schürfwunde.«
    Luc zog mich näher zur Straße hin. Im strömenden Regen stand er

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