Eine feine Gesellschaft
College ist eine verdammt gute Idee, und niemand ist dagegen, außer den unerträglichen Snobs an der sogenannten Universität. Jetzt, da ich darüber nachdenke, wird mir klar, daß ich viele Menschen meiner Generation und beiderlei Geschlechts kenne, für die solch ein exzellentes College für Erwachsene die Chance für ein neues oder ein zweites Leben wäre, und das wird in den Vereinigten Staaten immer wichtiger, aber die gegenwärtig vor-handenen Institutionen lassen es nicht zu. Hurra, ich bin dabei, eine 36
Rede zu halten. Meine Damen und Herren…«
»Stimmt«, sagte Reed. »Also schick Frogmore ein kleines, nettes Briefchen, in dem du ihm sagst: Laß uns Seite an Seite für ein gutes University College kämpfen, herzliche Grüße, Kate Fansler.«
»Nur Kate. Er gebraucht niemals Nachnamen.«
»Gut. Dann schließt du dich dem Kampf um die Universität an, und ich schließe mich meiner Anwaltskanzlei an. Warum nicht?«
»Frederick Clemance.«
»Unser Held und Meister.«
»Du brauchst nicht vulgär zu werden. Wenn du voller Bewunderung von deinen muffigen Gerichtsmenschen erzählst, erntest du auch keinen Spott von mir.«
»Ich spotte nicht, sondern bin einfach überrascht, daß sein Name fällt. Was hat er denn mit dem University College zu tun?«
»Er ist dagegen. Mit Stumpf und Stiel – oder sollte ich sagen, mit Mann und Maus? Egal, er haßt es, er will es zertreten, er hat sich mit Jeremiah Cudlipp verbündet, um es zu vernichten. Will ich wirklich gegen diese beiden in die Schlacht ziehen?«
»Warum nicht? Zum Erwachsen werden gehört, daß wir unsere ehemaligen Helden bekämpfen.«
»Mag sein. So erwachsen bin ich noch nicht. Ich möchte Clemance nicht so nahe kommen, daß ich entdecke: Er ist gar nicht so großartig, wie ich ihn gern hätte.«
»Mit den Lippenlauten bin ich nicht so zufrieden, aber deine Zischlaute kommen prächtig. Wenn ich mich an das Gedicht Audens zum Tod von Yeats richtig erinnere – was nicht so schwierig sein dürfte, schließlich hast du es mir nicht weniger als achtzehnmal vorgelesen –, dann hatte Auden kein Problem damit, Yeats als einen Menschen zu sehen, der zugleich großartig und albern ist. Da heißt es doch sinngemäß, die Zeit vergibt jenen, die als Schriftsteller Gutes geleistet haben. Wenn ich dir glauben darf, hat Clemance gute Sachen geschrieben. Laß die Zeit ihm vergeben, und kümmere dich doch um dein College.«
»Aber Clemance ist nicht dumm; er hat immer Seelengröße besessen, während um ihn herum alle kleinlich waren. Jedenfalls habe ich ihn verehrt, schon bevor ich als Studentin meine erste Übung bei ihm besuchte, und das ist, so wahr mir Gott helfe, fast zwanzig Jahre her.«
»Wenn Clemance soviel Seelengröße besitzt, wie du sagst, warum tut er sich dann mit Jeremiah Cudlipp zusammen?«
37
»Ich weiß nicht. Aus Liebe zur Universität vielleicht.«
»Vielleicht.«
Kate stand auf und ging zum Bücherschrank. Dort standen Clemances Bücher in einer Reihe, die Biographien, Essays, Stücke und Gedichte – alle nebeneinander, was eine ungewöhnliche Auszeichnung darstellte, denn Kate hatte ihre Bibliothek unbarmherzig nach Sachgruppen geordnet: Gedichte, Romane, Dramen, Biographien, Literaturkritik, Kulturgeschichte und Bücher-die-es-nicht-wert-sind-behalten-zu-werden-aber-von-denen-ich-mich-nicht-trennen-kann.
»Und wenn wir jetzt im Kino wären«, sagte Reed, »dann käme an dieser Stelle eine Rückblende auf die begeisterte junge Kate, die mit glänzenden Augen und Haaren, die seidig ihre Schultern umspielen, unserem Clemance in der Blüte seiner Jahre lauscht, wie er uns er-klärt, wer wir sind.«
»Meine Haare haben nie seidig meine Schultern umspielt, aber das mit der Blüte seiner Jahre stimmt, und ich wollte, es gäbe heute noch solche Filme.«
»Er muß fast so alt wie Auden sein.«
»Wir sind alle fast so alt wie Auden, ›mittleren Alters und hof-fend, daß wir verstehen, / Was wir sind, nicht, was wir sein werden‹.«
»Ich werde dir sagen, was ihr, Clemance und du, als nächstes sein werdet.«
»Was denn?«
»Gegner. Meinst du, ich dürfte dabeisein, wenn erste Salven die Feindseligkeiten eröffnen? Es verspricht ein höchst spannendes Scharmützel zu werden.«
»Du darfst, wenn du morgen mitkommst. Du wirst es kaum glauben, aber Frederick Clemance hat mich zum Lunch eingeladen. Warum willst du einen kleinen Kanarienvogel ernähren?«
»Warum sollte ich eine Frau ernähren wollen? Die einzige Frau, die ich
Weitere Kostenlose Bücher