Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
Vom Netzwerk:
Polizei das Büro gestürmt hatte, nicht etwa, um die Studenten hinauszuschmeißen, sondern um einen van Gogh zu retten, der dort hing, und ich dachte mir: Seltsam, ich habe gar nicht gewußt, daß die Universität eines der großartigs-ten Gemälde der Welt besitzt.«
    Beide gingen weiter, und Kate fuhr fort: »Aber, weißt du, das alles war ja noch nicht das Schlimmste. So erschien es nur denen, die das Ganze von außen erlebten, denen die Aktionen der Studenten oder der Polizei entsetzlich vorkamen. Aber als mir dann mit einem Schlag klar wurde, daß es in Wirklichkeit nie eine Universität gegeben hatte… Daß ein Haufen halbfertiger, vulgärer Maoisten eine ganze Universität zum Stillstand bringen konnte, daß fast tausend gemäßigte, nachdenkliche Studenten sich ihren illegalen Aktionen anschlossen, und, um alldem die Krone aufzusetzen, daß sich herausstellte, daß diese Universität tatsächlich nie verwaltet worden war…
    Wir hatten einen Präsidenten, den niemand je zu Gesicht bekam und dessen Verständnis von der tatsächlichen Lage an dieser Universität so verschwommen war, daß es sich genausogut um den Jachtclub in East Hampton hätte handeln können; wir hatten einen Verwaltungsrat, der niemals, buchstäblich niemals mit einem Studenten ein Wort gewechselt oder die Universität besucht hat, außer zu der monatli-chen Sitzung, zu der sie von ihren Chauffeuren auf den Campus gefahren wurden; wir hatten eine Fakultät, die ausschließlich mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt war. Ihr fiel gar nicht auf, daß es keine Universität als Ganzes gab, nur lauter Egos, Institute, Fachbereiche, Programme, die, jeder für sich, auf ihre Wichtigkeit pochten.«
    »Weißt du«, sagte sie und sah Reed an, »meine Brüder, die natürlich völlig außer sich waren, weil ein Haufen ungewaschener Radikaler so viel Einfluß bekam, konnten nie begreifen, daß da etwas faul war, und zwar nicht bei den Studenten und ihren vielleicht allzu nachsichtigen Eltern! Sie konnten nicht verstehen, daß eine unge-schickte Universitätsleitung, die nicht Stellung bezieht, und eine selbstgefällige und gleichgültige Fakultät mindestens ebenso schuld 41

    daran waren, daß eine junge Generation sich nicht an ›Recht und Ordnung‹ hielt. In den besetzten Gebäuden haben mir Studenten, die ich aus meinen Vorlesungen kannte und die genausowenig Maoisten sind wie ich, gesagt, daß dieses gemeinschaftliche Leben in den besetzten Gebäuden die erste lebendige Erfahrung gewesen sei, die sie an der Universität gemacht hätten. Für all das waren wir total unzugänglich, Reed. Egal, was an anderen Universitäten passiert sein mag, was Zerstörungsfreude radikaler Gruppen sonstwo angerichtet haben mag – Berkeley, Columbia und so weiter –, die Schuld für das, was an meiner Universität passiert ist, trage ich – ich und meine Kollegen.«
    »Diese jungen Leute waren eine schlimme Truppe – ich meine den radikalen Kern.«
    »Stimmt. Aber ihnen die Schuld an allem zu geben, was dann folgte, das hieße, die Schuld am Ersten Weltkrieg diesem Attentäter in Sarajewo zuzuschieben. Ich bin natürlich in historischen Analo-gien nicht besonders gut. Auden sagt das so:

    Zu jeder Stunde mag an andrer Stelle Ein neuer Aufschrei ertönen
    Aus den Kehlen einer neuen Generation von Vögeln, die zwitschern,
    Nicht um des Effektes willen, sondern weil Zwitschern das Richtige ist.

    Das alles weiß ich; ich weiß, daß das für Studentenrevolten an anderen Universitäten zutrifft. Aber nicht an meiner Universität.«
    »Versuchst du in deinem Kreuzzug für das University College nun ein paar Steine aus den Ruinen zu holen und mit ihnen ein feste-res Haus zu bauen?«
    »Tut mir leid, wenn ich mich nicht bremsen kann. Jedenfalls finde ich es verblüffend, daß das University College die einzige Institution innerhalb der Universität war, an der Studenten, Dozenten und Verwaltung weder automatisch noch gelegentlich annahmen, ihre Interessen stünden im Widerspruch zueinander. Die alten Uniprofessoren demonstrierten nur Abscheu, oder sie benahmen sich wie Vä-
    ter, die alles für ihre Söhne getan hatten und nun dafür verhöhnt, verachtet und mit Undankbarkeit bedacht wurden. Die höheren Semester offenbarten, wie lange und wie sehr sie unter den überholten Strukturen und dem Prüfungssystem gelitten hatten. Aber Frogmores 42

    kleines Reich hielt sich vom allgemeinen Chaos fern und arbeitete weiter. Das interessiert mich.«
    Sie blieben am

Weitere Kostenlose Bücher