Eine feine Gesellschaft
heiraten würde, steht schon lange auf eigenen Beinen, mit Hilfe eines mageren Gehalts und eines großen Privatvermögens, und ist im Augenblick mit der Gründung eines neuen Colleges beschäftigt.«
»Ich gründe kein College, ich stelle Ressourcen zur Verfügung, falls du mit der Beschreibung mich meinen solltest. Willst du mich wegen meines Geldes heiraten?«
»Merkwürdig, daß du das sagst«, sagte Reed. »Das ist der einzige Grund für eine Ehe mit dir, an den ich noch nicht gedacht hatte. Was 38
dagegen die Gründe, dich nicht zu heiraten angeht: da habe ich kein einziges Argument ausgelassen. Aber ich bin wie der Jude bei Boc-caccio, der zum Katholizismus übertritt, aus dem vernünftigen Grund, daß eine Kirche, die sich trotz soviel Korruption, wie er sie in Rom erlebt hat, durchsetzen kann, Gottes Wohlwollen besitzen muß.«
»Die Welt ist voll schöner junger Frauen, die sich nach einem so stattlichen Mann wie dir verzehren, du mit deinen grauen Schläfen und deinem jungenhaften Benehmen. Ich werde alt, bin zänkisch, stürze mich in dumme Scharmützel und trinke zu viel Wein. Mindestens fünfzig junge Frauen warten auf dich, Reed.«
Reed ging nun seinerseits zum Bücherschrank, Abteilung Lyrik, zog einen Band heraus und las vor: »›Eine Heldentat, die man Her-kules zuschreibt, war, daß er fünfzig Jungfrauen in einer Nacht ›geliebt‹ haben soll: Man könnte dazu bemerken, daß Aphrodite Herku-les geliebt hat, aber man würde ihn nicht als Liebhaber bezeichnen‹.
Und, das ist noch nicht alles«, sagte Reed und blätterte weiter. »Wir sind uns ja einig, daß wir in unsicheren Zeiten leben. In der Tat, sagt Auden:
Wieviel dummer Unfug und schwachsinniger Aufruhr war nötig, um euch beide zusammenzubringen?«
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Drei
Wenn gleiches Maß an Liebe nicht sein kann, Laß mich der sein, der mehr liebt.
An einem Samstagmorgen können sich im Central Park Menschen mit jener Geschwindigkeit bewegen, die um die Jahrhundertwende üblich war: zu Pferde, mit dem Rad und – fast vergessene Freude – genüßlich flanierend. Immer wenn Kate und Reed mit der endlosen Folge niederschmetternder Katastrophen konfrontiert wurden, aus denen das Leben in New York bestand – Streiks, stinkender Müll, Schneeberge, Verkehrsstaus, ausfallende Heizungen, keine Sicherheit auf den Straßen –, oder wenn sie andere über das Stadtle-ben klagen hörten, trösteten sie sich mit dem einen Gedanken: Aber am Wochenende fahren im Central Park keine Autos. Es war der einzige urbane Segen, den dieses Jahrzehnt hervorgebracht hatte.
»Um auf unser Gespräch von gestern abend zurückzukommen«, sagte Reed, »warum haben ungeordnete Verhältnisse und blöder Unfug dich in einen solchen Zustand der Verwirrung gestürzt? Beziehungsweise, darf ich, da es nun mal geschehen ist, dir meine Hilfe bei der Entwirrung anbieten? Bedeutet dir die Universität denn so viel?«
»Am Donnerstag, als das Semester anfing«, sagte Kate, »habe ich mir die gleiche Frage gestellt. – Vielleicht nicht, ob sie mir so viel bedeutet, denn das tut sie offensichtlich, aber warum.« Kate blieb stehen und streichelte einen jungen Hund, der Aufmerksamkeit hei-schend herbeigestürzt war. »Ich erinnere mich an viele Phasen der Revolution oder des Aufstandes oder wie man das nennen soll. An die Begeisterung in der Woche, als die Gebäude besetzt waren, an diese ergreifende, allumfassende Lebendigkeit, die wir trotz aller Probleme empfanden. Ich erinnere mich, wie ich von einem Polizisten in Zivil mit einem Knüppel gegen eine Mauer gedrückt wurde, und dachte, so, jetzt ist es soweit. Ich erinnere mich an die endlos wiederholten Beschimpfungen, die die Studenten uns entge-genschrien. Auf den Fensterbänken und Dächern der Universitätsge-bäude standen sie wie Figuren auf den Giebeln und Postamenten eines Tempels, und ich habe mich gefragt, ob sie nicht, wie die Helden in Forsters Romanen, im Grunde hoffnungslos unmodern waren.
Ich erinnere mich, wie die Blumen und der Rasen zertrampelt wur-40
den, und weiß noch genau, wie jemand die letzte Tulpe zertrat. Ich erinnere mich, wie ich am ersten Tag, als sie das Präsidentenbüro besetzt hatten, am Verwaltungsgebäude vorbeiging und dachte: Aha, dort hat also der Präsident sein Büro. Wieso habe ich in all den Jahren, die ich dieser Universität angehöre, nicht gewußt, wo das Büro des Präsidenten ist? Und wieso hat es mich nie interessiert? Später haben wir dann natürlich erfahren, daß die
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