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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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von Menschen an einer Institution abstimmen können, die möglicherweise nicht mehr lange existiert.«
    Just in diesem Augenblick – es war wahrscheinlich nicht so geplant, aber Kate würde ihm das zutrauen – ging die Tür auf, und Robert O’Toole trat ein. Die Schergen sammelten sich. Kate sah Clemance an. Warum drückt dich wohl dein Gewissen, dachte sie?
    Gott segne dich. Doch Robert O’Tooles Gedanken waren weit davon entfernt, Segen zu bringen.
    »Ich fürchte, ich kann Frederick nicht zustimmen«, sagte O’Toole, Clemance beim Vornamen nennend. »Seine Großherzigkeit verleitet ihn zu einer so offenen Geste, aber wir, seine engherzigeren Freunde, müssen ihn leider daran erinnern, was grundsätzlich geht und was nicht.«
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    Wieder erhob sich Professor Cartier. »Mr. O’Tooles Begabung, Fragen zu beantworten, die er gar nicht gehört hat, ist wirklich be-wundernswert. Ich würde gern meine Empfehlung wiederholen, daß wir uns hier Gedanken über eine mögliche Beförderung von Professor Levy machen. Er hat über das Viktorianische Zeitalter Hervorragendes geleistet, und wenn ich über das, was dem Seminar zur Zeit fehlt, richtig informiert bin, dann könnten wir doch einen Mann mit diesem Forschungsschwerpunkt gut gebrauchen.«
    »Ich halte Professor Levys Buch über Wilkie Collins für exzellent«, sagte Michaels. »Kennt es jemand von Ihnen?«
    »Ich«, sagte O’Toole, schob seine Manschetten zurück und untersuchte seine Fingernägel. »Es ist auf seine Art ein ganz ordentliches Buch, bescheiden, nicht außergewöhnlich, kompetent, aber nicht ehrgeizig genug. Man kann es nicht verreißen, aber ich glaube, man kann es auch nicht in den Himmel loben.« In diesem Moment klopfte jemand Kate auf die Schulter und reichte ihr einen Zettel; darauf stand: »Egal, wofür dieser aufgeblasene Armleuchter stimmt, ich stimme dagegen. E. A.« Kate grinste Zustimmung und steckte den Zettel in ihre Handtasche. Mehrere ältere Professoren begannen nun einen Streit über Mr. Levys Buch. Kate genoß die kurze Atem-pause und ließ ihren Blick auf Clemance ruhen. War O’Toole gewis-sermaßen ein Kommentar zu Frederick Clemance, unvermeidliche Sekundärliteratur, die, wie die Anmerkungen zu ›The Waste Land‹
    immer mit dem Original zusammen gelesen werden mußte? O’Toole war einer von Clemances brillantesten, meistgeliebten Studenten gewesen, und er hatte diese Zuneigung aus vollem Herzen erwidert, unter anderem, indem er jede von Clemances Manierismen in sein eigenes Repertoire übernahm. Aber er hatte nie gelernt, seine Arroganz zu zügeln, wie Clemance das vermochte. Oder würde er es mit der Zeit noch lernen? Als Kate Clemance zum erstenmal begegnet war, als sie zum erstenmal in seinem Seminar gesessen hatte, war er den Fünfzig so nah gewesen wie O’Toole jetzt den Vierzig. Konnten zehn Jahre solch einen Unterschied machen? Kate hatte ihre Zweifel.
    Die Nachricht, daß O’Toole Dekan werden sollte, hatte offenbar noch nicht die Runde gemacht. Aber daß O’Toole beschlossen hatte, seine Aufgabe könne, wollte er erfolgreich sein, nur in der Auflö-
    sung des University College bestehen, das war ganz offensichtlich.
    An dieser Stelle hörte man Professor Peter Packer Pollinger etwas durch seinen Schnurrbart schnauben; langsam richteten die Anwesenden ihre Aufmerksamkeit auf ihn. »Warum ist er dagegen?« frag-72

    te Professor Pollinger die Welt im allgemeinen.
    »Meinen Sie mich, Sir?« fragte Clemance sanft.
    »Ich habe gefragt: ›Was ist es, das so sanft sich hin und her bewegt?‹« sagte Professor Pollinger.
    Clemance betrachtete Professor Pollinger, als gäbe es bei genü-
    gender Aufmerksamkeit hinter diesem Satz irgendeinen Sinn zu entdecken, aber die Hoffnung erwies sich als illusorisch. »Ist das ein Zitat?« fragte er geduldig. »Vielleicht aus einem dieser nebulösen Dramen à la Maeterlinck?« Die Frage, weder kränkend gemeint noch so gestellt, katapultierte Professor Peter Packer Pollinger auf den Gipfel der Empörung.
    »Was heißt nebulös? Hier geht es wohl eher für jeden von Ihnen um Symbole. Sie benehmen sich so wie die Engländer gegenüber den Iren: absolut snobistisch. Das College für Erwachsene hat etwas Symbolisches für Sie und Sie und Sie«, sagte er mit zitterndem Bart, und deutete auf Clemance, Cudlipp und O’Toole. »Ich weiß auch den Grund. Cudlipp ist selbst auf das University College gegangen, nachdem die Uni ihn rausgeworfen hatte und bevor sie ihn wieder aufgenommen

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