Eine feine Gesellschaft
überrascht gewesen. Ich muß ja wohl nicht extra betonen, daß Peabody von der 112
Aspirin-Geschichte keine Ahnung hatte.«
»Könnte ich wohl mit Peabody persönlich reden?«
»Ich will sehen, was ich für Sie tun kann. Einen Augenblick, bitte.« Frogmore stand auf und steckte den Kopf zur Tür hinaus: »Miss Philips, könnten Sie wohl versuchen, John Peabody ausfindig zu machen? Sagen Sie mir bitte Bescheid, sobald Sie ihn gefunden haben. Es ist ziemlich wichtig, danke.« Er schloß die Tür und ging wieder an seinen Schreibtisch zurück. Universitätssekretärinnen sind glückliche Geschöpfe, dachte Reed: Sie bekommen ihre Anordnun-gen nicht per Telefon.
»Wußten Sie«, fragte Reed, »daß Cudlipp sein Grundstudium zum Teil auch am University College absolviert hat?«
»Ich habe davon gehört, und interessanterweise ist es wahr. Damals hieß unser Institut noch Schule für Fortbildung und genoß universitätsmäßig weit weniger Ansehen als heute.« (Reed fragte sich, ob Frogmore dieses »universitätsmäßig« auch gegenüber Kate benutzt hatte. Er wußte, wie sehr sie solche Wortbildungen haßte.
»Weißt du, was Mama Eule zu Papa Eule sagte?« war Kates Kommentar zu so etwas. »Wie geht’s dem Baby heute babymäßig?« Die einzige herbe Kritik, die sie an Auden je geübt hatte, bezog sich auf etwas Ähnliches. »Etwas Seltsames passierte klangmäßig«, hatte er –
unverzeihlich – in einem Gedicht geschrieben.)
»Das ist wahrscheinlich das typische Syndrom«, sagte Frogmore, voll unschuldiger Ahnungslosigkeit ob seines Fehltritts. »Inzwischen wissen wir, daß Cudlipp in der Frage des University College zu keinerlei Objektivität in der Lage war. Und natürlich brachte er es fertig, die Uniprofessoren und die Ehemaligen auf seine Seite zu ziehen.«
»Natürlich. Der Snobismus des normalen Durchschnittsmenschen wird praktisch von selbst zu besonders intelligentem Urteilsvermö-
gen.«
»Das haben Sie schön gesagt, Mr. Amhearst. Gefällt mir wirklich. Sie wissen, daß wir erst versucht haben, sie von der Qualität unserer Arbeit zu überzeugen – und dann erzählten uns die Professoren Castleman und Klein, die Sie ja auch schon kennengelernt haben, beim Lunch, daß wir die Sache politisch angehen müßten. Wir begannen unsere Attacke beim Englischen Seminar der Graduierten, und es lief recht gut, bis dann diese Geschichte passierte. Verstehen Sie mich nicht falsch, Mr. Amhearst. Jetzt, da Cudlipp uns nicht mehr im Wege ist, sind unsere Chancen ziemlich gestiegen. Aber 113
O’Toole und einige andere haben die Universität davon überzeugen können, daß die ganze Sache so lange nicht dem Verwaltungsrat vorgelegt werden darf, wie es noch ungelöste Fragen im Zusammenhang mit Cudlipps Tod gibt. Also, wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann…?«
»Sie sind sich persönlich ganz sicher, daß niemand aus dem Um-kreis des University College ihm das Aspirin gegeben haben könn-te?«
»Ja. Akademiker tun so etwas nicht, Mr. Amhearst.«
»Sie würden sich wundern, wenn Sie wüßten, was auch in diesen Kreisen heutzutage passiert, Herr Dekan. Lassen Sie mich Ihnen erzählen, was sich bei uns in der Bezirksstaatsanwaltschaft seit den inzwischen historischen Ereignissen des vergangenen Frühjahrs alles geändert hat. Wenn früher eines dieser reichen Studentenbürschchen in Schwierigkeiten geriet, wenn überhaupt jemand aus dem akademischen Bereich Schwierigkeiten hatte, dann kam gewöhnlich sein Anwalt zu uns und sagte: ›Also, der Junge ist vom College, Sie wollen doch bestimmt keine Anklage erheben.‹ Und wir erhoben keine Anklage. Wenn jemand von einer Universität oder von einem College kam, dann wurde automatisch davon ausgegangen, daß er in Ordnung war; die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils und so weiter. Und jetzt? Man braucht bei der Staatsanwaltschaft nur zu hören, der Junge ist Student, und schon wird angeklagt, und das in einem solchen Tempo, daß der Anwalt kaum mitschreiben kann. Als Unruhestifter haben die Vertreter des akademischen Lebens nämlich ihren Amateurstatus verloren. Die Frage ist: Wußten Sie von Cudlipps Allergie gegen Aspirin?«
»Ich wußte davon, obwohl ich es vergessen hatte. Bill McQuire hat mich daran erinnert. Vor einer Weile hatte er mir mal erzählt, daß Cudlipp sich Sorgen macht, weil er so sehr von diesen englischen Pillen abhängig ist. Ich dachte, Bill meint Antibabypillen, denn daran denkt man ja heutzutage bei dem Begriff ›Pille‹, und
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