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Eine feine Gesellschaft

Eine feine Gesellschaft

Titel: Eine feine Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Obwohl 110

    ich mich ja eigentlich jetzt umdrehen sollte, damit Sie sich das nächste Blatt unter den Nagel reißen können – das, worauf sich meine Handschrift durchgedrückt hat.«
    »Ihre Handschrift und Ihre Eindrücke sind mir lieber. Sind die hier alle pünktlich aufgetaucht?« fragte Reed, während er die Liste studierte.
    »Mehr oder weniger. Für diese Studenten hatte er eine halbe Stunde vorgesehen, warf sie aber nach fünfzehn Minuten hinaus und traf sich deswegen mit Clemance und O’Toole früher, als hier steht.
    Ich habe die beiden angerufen und ihnen gesagt, daß er frei war.
    Also kamen sie anmarschiert und schrien viel herum, aber ich konnte nichts verstehen. Jedenfalls irgendwelcher Uni-Kram.«
    »Heißt das, er hat die Studenten gepackt und hinausgedrängt?«
    »Einen von ihnen. ›Raus!‹ hat er geschrien, ›und bleiben Sie draußen. Gehen Sie zurück an dieses blöde College, aus dem Sie kommen.‹«
    »Seltsame Ausdrucksweise für einen Englisch-Professor.«
    »Ja. Dann hat er mit ganz leiser Stimme zu mir gesagt: ›Miss Elton, sagen Sie Mr. Clemance, daß ich jetzt frei bin.‹« Reed hatte Cudlipp nur einmal sprechen hören, aber die Art, wie sie ihn nach-ahmte, war nicht schlecht.
    »Was glauben Sie, wer jetzt seinen Posten übernimmt?«
    »Da bin ich überfragt. Natürlich gibt es jede Minute ein neues Gerücht, aber ich glaube, ich warte lieber ab. Wenn mir der Kerl nicht gefällt, gehe ich. Es gibt genug Jobs.«
    »Für ein tüchtiges, attraktives Mädchen wie Sie muß es eine Menge gutbezahlter Jobs geben. Warum arbeiten Sie hier, wo es weniger Geld gibt als im Geschäftsleben?«
    »Ich bin gern unter Leuten mit literarischer Bildung – ich liebe die intellektuelle Atmosphäre. Und die jungen Englisch-Professoren sind wirklich klug und süß.«
    »Wie Robert O’Toole?«
    »Der ist nicht mehr jung – und ordentlicher Professor – und ein Lackaffe! Bildet sich sonstwas ein. Mr. Ich-weiß-alles. Versucht, Clemance nachzumachen. Das ist so ein netter alter Herr, wirklich würdevoll und gelassen. Sagt immer Miss Elton zu mir. Aber der steht schon mit einem Bein im Grab.«
    »Clemance? So alt kann er doch noch gar nicht sein. Kaum sechzig.«
    »Das ist ganz schön alt. Mir tut der alte Bursche leid. Seine bes-111

    ten Tage hat er hinter sich.«
    »Sic transit und so weiter. Sagen Sie, Miss Elton…«
    »Jennifer.«
    »Jennifer. Ist Cudlipp irgendwann auf die Toilette gegangen oder in ein anderes Büro und hat das Röhrchen mit den Tabletten auf seinem Schreibtisch liegengelassen?«
    »Hören Sie mal, Süßer, ich bin Sekretärin und kein Dienstmädchen. Das weiß ich genausowenig wie Sie.«
    »Na ja, danke schön, Jennifer. Bis bald.«
    »Jederzeit, Schätzchen. Mach’s gut.«
    Reed winkte den anderen Sekretärinnen zu, die offenbar Schreib-arbeiten für die unteren Ränge erledigten. Er hatte gleich begriffen, daß Cudlipp und die anderen ordentlichen Professoren des Englischen Seminars Jennifer Eltons persönliches Eigentum waren, also brauchte er sich gar nicht mit Fragen an die anderen zu wenden. Gut, dachte Reed und warf einen Blick auf Cudlipps Terminplan, dann mal los. Und er überquerte den Campus und ging auf das Gebäude zu, welches das University College und Dekan Frogmore beherbergte.
    Reed war angenehm überrascht, als Frogmore sofort bereit war, ihn zu empfangen. Offensichtlich hatte Castleman entsprechende Vorarbeit geleistet.
    »Kommen Sie herein, Mr. Amhearst. Bitte, keine Entschuldigun-gen. In Wirklichkeit liefern Sie mir die perfekte Ausrede, um mich aus einer furchtbar langweiligen Sitzung zurückzuziehen. Ich hoffe sehr, wir kriegen diese Geschichte mit Cudlipp in den Griff – das ist alles sehr störend, wissen Sie?«
    »Ist die Geschichte nicht auch nützlich, Herr Dekan? Ganz offen gefragt.«
    »Sie könnte sehr nützlich sein, wenn uns gestattet wäre, einen Nutzen daraus zu ziehen. Cudlipp hatte eine enorme Machtposition –
    und er setzte sie gern ein. In seiner Personalpolitik war er verdammt schlau, und er tat alles, um dem University College den Garaus zu machen. Er war wie besessen davon. Ein paar Studenten waren an dem Tag bei ihm, an dem auch ich ihn getroffen habe. Sie wollten ihm auseinandersetzen, wie wichtig und einmalig ihr College für sie ist. Er hat sie buchstäblich aus seinem Büro geworfen. Offen gestanden, wenn man mir erzählt hätte, daß Peabody Cudlipp eins mit dem Knüppel übergezogen habe, ich wäre betroffen, aber nicht

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