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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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wie er um eine Biegung des Pfades wanderte, dann flitzte ich ins Bad und danach zum Wasserkocher, wo ich feststellte, daß Will auch den letzten Beutel Kaffee verbraucht hatte. Man konnte es ihm nicht verdenken. Als ich zu dem Hocker zurückkehrte, war der Lichtschimmer nicht mehr zu sehen.
    »Kommt schnell näher«, berichtete Will. »Dürfte nicht mehr lange dauern.«
    Wir warteten. Aus fünf Minuten wurden zehn. Wurden fünfzehn. Endlich hörten wir das Knirschen langsamer Schritte den Hang heraufkommen. Ich mußte mich an Wills Schulter festhalten, um nicht zur Kante hinzulaufen und hinüberzuschauen. Eine weitere Minute verging, das Geräusch der Schritte wurde überdeckt von keuchenden Atemzügen und dem Klickern von Steinen. Endlich erschien ein dunkler Kopf über der Kante, wuchs zu einem schlaksigen Körper und wurde zu Nick, grau vor Erschöpfung, der in schleppendem Dauerlauf dem Pfad zwischen den erloschenen Kerzen folgte. Er hielt den Blick starr auf den brennenden Stummel seiner eigenen Kerze gerichtet und merkte offenbar nicht, wo er sich befand.
    Als Will und ich brüllten: »Nick!«, zuckte er zusammen und schaute sich verwirrt um.
    Hinter ihm kam niemand mehr, auch keine Schritte waren zu hören. »Nick«, fragte ich, »was ist passiert?«
    Seine Schultern sanken herab. »Kann ich das jetzt ausblasen?« Er hob den Kerzenstumpf hoch.
    »Komm erst bis hierher zum Stuhl«, meinte Will. »Wunderbar. Willst du dich setzen? Nein? Na gut.« Er bugsierte Nick auf den freien Platz neben dem Bett und warf mir einen Blick zu, der sagte, daß der Junge stehend k.o. war. »Jetzt laß hören - was ist passiert?«
    Ich hätte nichts sagen oder tun können, ich war am Boden zerstört.
    »Wir sind hingekommen«, sagte Nick. »Maree und ich jedenfalls. Rob haben wir verloren. Auf dem letzten Stück. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ihm. Oh, davor haben wir Ihren Freund getroffen, Mr. Venables. Den Typ, von dem Maree sagt, er ist umwerfend und nordisch. Er hat mir aufgetragen, Ihnen zu sagen, daß er sich meldet.«
    Nick verstummte, als wäre ein Uhrwerk in seinem Innern abgelaufen und starrte blicklos vor sich auf den Teppich. Will fragte: »Und weiter?«
    »Wir sind hingekommen«, wiederholte Nick. Dann, in einem plötzlichen Aufwallen von Energie, sprudelte er hervor: »Und ihr ratet nie, was Maree getan hat! Als whin - bei - jedenfalls am richtigen Ort waren und man seinen Wunsch aussprechen durfte, aber nur einen. Ich konnte es nicht fassen! Sie hat sich gewünscht, daß ihr Vater wieder gesund wird!«
    Ich konnte Will nicht ansehen, obwohl ich spürte, daß er mich anstarrte. »Und was dann?«
    »Wie? Ach so, ich mußte natürlich ihren Wunsch auf mich nehmen«, antwortete Nick grantig. »Ich mußte meinen Wunsch aufbrauchen, und nun werde ich nie...« Er schloß den Mund und schluckte es hinunter - was sein Wunsch gewesen war und, vermutete ich, auch die Tränen der Enttäuschung. »Ich habe den Wunsch genauso ausgesprochen, wie Sie es uns gesagt haben. Wort für Wort.«
    »Gut gemacht«, lobte Will. »Und hat es funktioniert?«
    Nick machte ein überraschtes Gesicht. »Ja, selbstverständlich hat es funktioniert.«
    Auch wenn ich die Antwort fürchtete, mußte ich die Frage stellen. »Wo ist Maree?«
    Nick zog die Schultern hoch. »Woher soll ich das wissen? Kommt sie nicht?«
    »Nichts von ihr zu sehen.«
    »Dann kann ich es nicht sagen. Ich hatte Angst, mich nach ihr umzuschauen. Ich dachte an diese Geschichte, Sie wissen schon, von dem Mann, der in die Hölle hinuntersteigt, um das Mädchen zurückzuholen, und ich dachte, ich hörte ihre Schritte hinter mir, aber ich habe mich nicht getraut, mich umzudrehen, falls ...«
    »Gut überlegt«, sagte ich rasch. »Vielleicht gibt es sogar eine Strophe dazu, die wir nicht kennen. Ich bin überzeugt, sie wird bald kommen.«
    »Darf ich mich jetzt hinlegen?« Nick schaute uns aus verquollenen Augen an. »Ich bin furchtbar müde.«
    »Natürlich«, sagten wir und packten ihn ins Bett. Er war groß für sein Alter und ein schwerer Brocken, so daß es regelrecht in Arbeit ausartete, ihn hinzulegen und zuzudecken, und ich schwöre, er schlief schon, bevor sein Kopf das Kissen berührte.
    »Was hältst du von der Geschichte?« fragte Will halblaut.
    »Typisch Maree. Aber keineswegs typisch Nick. Ich hätte das nicht von ihm erwartet.«
    »Genau mein Gedanke.« Will nickte. »Man sollte meinen, mit so einer Mutter - na ja ...« Er sah, wie ich hoffnungsvoll in die immer

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