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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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an Andrew vorbei zu Andrews Spiegelbild, das parallel zu ihm durch die reflektierte Lobby schritt. Nick war etwas aufgefallen, das eigentlich ich hätte bemerken sollen: In den Spiegeln trug Andrew eine Art marineblauen Kampfanzug mit einem breiten weißen Leinengürtel.
    »Genauso war es gestern«, sagte Nick leise. »Nur hatte er als Mensch normale Sachen an und als Spiegelbild einen langen Mantel, wie ein Landstreicher.«
    Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschbgen, aus mehr als einem Grund. Neben mir schmachtete Maree: »Wenn ich nur wüßte, wer das ist!«, doch während ich es ihr noch vor einer Minute aus blanker Eifersucht nicht verraten hätte, schwieg ich jetzt, weil meinen Nachbarn ein Geheimnis umwitterte, dem ich in meiner Eigenschaft als Magid auf den Grund gehen mußte. Ich blieb also stumm und regungslos sitzen, während Andrew seinen Triumphmarsch fortsetzte und schließlich die Lobby durch die Tür am anderen Ende verließ.
    Sofort sprang ich auf und lief ihm nach. Verschwunden. Er war verschwunden, keine Spur mehr von ihm. Nicht einmal seine Aura konnte ich mehr spüren. Ich sollte auch nicht erfahren, an was man denn nun gute Fantasy erkennt, ich war vollauf damit beschäftigt, im ganzen Hotel nach ihm zu suchen und die Erkenntnis meines mehrfachen Versagens zu verarbeiten. Weshalb hatte ich nicht gemerkt, daß der verbissene Eifer, mit dem ich Marees Aura kreuz und quer durch Bristol gefolgt war, über reine Pflichterfüllung eines Magids hinausging? Weil sie mit ihrem absurden Gehabe meine romantischen Erwartungen enttäuscht hatte, wahrscheinlich. Jedenfalls hatte ich mich bei der Suche nach einem neuen Magid von meinen Gefühlen ganz schön aus dem Konzept bringen lassen. Und - Krönung des Ganzen - Andrew war seit zwei Jahren mein Nachbar, und ich hatte nichts Ungewöhnliches an ihm bemerkt. Ein halbwüchsiges Bürschchen mußte mir die Augen öffnen!
    Buchstäblich am Rande bekam ich dann doch noch etwas von der Podiumsdiskussion mit, als ich mir einen Weg durch ein Knäuel aufgeregter Menschen bahnte, die sich um Tina Gianetti drängten.
    »Ich sage dir, ich habe Migräne!« jammerte Gianetti. Ich er inn ere mich, daß sie sehr elend aussah.
    »Unsinn, Liebling. In deinem Alter solltest du die Symptome eines Katers erkennen«, sagte ein Mann im Anzug, der neben ihr stand - ihr Agent? Freund? Beides? »N imm noch ein Aspirin.«
    »Ich sage dir, ich bin nicht fähig, eine Diskussion zu leiten!« Sie schloß gequält die Augen. »Ist doch ohnehin alles nur leeres Gerede. Stichelein und Selbstbeweihräucherung!«
    »Warum gehen Sie nicht hinein und versuchen, ob Sie nicht doch zurechtkommen, Miss Gianetti?« sagte ein sichtlich der Verzweiflung naher Ma xim Hough in beschwörendem Ton, als ich mich vorbeischob.
    Später erfuhr ich, daß sie genau das tat. Ich traf Kees Punt in der Sandwichbar. »Das - und kein bißchen mehr«, berichtete er kauend. »Sie setzte sich bequem in ihren Sessel und ließ die Gäste reden. Es war ein großer Spaß, weil jeder von ihnen behauptete, sein Buch wäre das einzig Wahre auf dem Gebiet der Fantasyliteratur - ausgenommen der große Ted Mallory, der sagte, er gedächte nicht, sich zur Benotung zu stellen.«
    »Er hatte ebenfalls einen Kater«, bemerkte ich.
    Kater oder kein Kater, sowohl Tina Gianetti als auch Ted Mallory hielten sich um die Stunde im Foyer auf, als Will seinen unbeabsichtigt dramatischen Auftritt hatte.

Kapitel 15
Rupert Venables, Fortsetzung

    Als ich ins Foyer hinunterging, um Will zu treffen, war ich immer noch damit beschäftigt, meine Entdeckungen vom Vormittag zu verdauen. Ich war alles andere als zufrieden mit mir selbst. Noch immer keine Spur von Andrew, und was Maree betraf - ich merkte, daß ich ihr bewußt aus dem Weg ging. Ich hatte sie mehrmals von weitem gesehen und sofort eine andere Richtung eingeschlagen. Auch jetzt ließ ich von der Treppe aus den Blick suchend durch das Foyer wandern, um ihr nicht unvermutet zu begegnen. Es sah aus, als wäre der Raum menschenleer, bis auf die roboterhafte finnische Rezeptionistin, Odile. Die breite Marktstraße, durch das gläserne Portal gesehen, lag ebenfalls verlassen da. Genau vor diesen Türen erwartete ich jeden Moment, Will auftauchen zu sehen. Ich postierte mich an einem strategisch günstigen Punkt, um für Ablenkung zu sorgen - in dem unwahrscheinlichen Fall, daß Odile an der Art seines Eintreffens etwas befremdlich vorkommen sollte - und suchte sicherheitshalber in den

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