Eine Frage der Balance
Kentauren in die Kabine, Will drückte den Knopf mit der 5, und wir schössen mit unheiliger Geschwindigkeit nach oben. »Will hat ihn mit dem Wagen angefahren«, erklärte ich.
»Dann wird er auch noch ausgedehnte Prellungen haben«, sagte Maree. »Scheiße.«
Der Kopf des Kentauren hob sich ein wenig. »Knarros schickt mich«, sagte er mit einer angenehm rauhen St imm e. »Weil der Kaiser tot ist.«
Ich nickte ihm zu. »In Ordnung. Ich bin der zuständige Magid. Du bist hier richtig.«
Statt daß meine Worte ihn beruhigten, wurde der Kentaur aufgeregt; ein Hinterhuf schlug dumpf gegen die Aufzugtür, und die rauchige Stimme überschlug sich jungenhaft, als er sagte: »Ihr versteht nicht! Ich muß die richtige Person abholen! Knarros darf mit niemandem außer der richtigen Person sprechen!«
»Ruhig, ruhig!« Maree hörte sich an wie Stan, wenn er mich besänftigen will.
Ich sagte: »Kein Sorge deswegen. Ich bin für heute abend zu einem Gespräch mit Knarros verabredet.«
Der Ruck, mit dem der Aufzug in der 5. Etage zum Halten kam, beendete die Konversation. Im Einklang mit unserer momentanen Pechsträhne wartete zum erstenmal in den drei Tagen eine Menschentraube darauf, nach unten zu fahren. Etwa die Hälfte der Leute war bereits für den Maskenball zurechtgemacht. Ich sah vor mir einen bestimmt zwei Meter großen Alien aus Papiermache und Plastik, einen Gentleman im Tudor-Kostüm, zwei junge Männer in kaum mehr als Stiefeln, hautengem Wams und Schurz, eine Grazie in etwas, das aussah wie ein Perlenvorhang, und dazwischen Menschen in Alltagskleidung.
Als erst Will und ich den Lift verließen und dann der Kentaur, nachdem er sich mit Marees und Nicks Hilfe vorsichtig herumgedreht hatte, begannen die Wartenden zu jubeln und in die Hände zu klatschen.
»Wunderbar!« riefen sie. »Fantastisches Kostüm! Mal was Neues - ein Pferd zu mieten!«
Vielleicht lag es daran, daß der Kentaur, nachdem er sich gedreht hatte, ihnen die unverletzte Seite zuwandte. Dafür war mir der Anblick seiner Wunde vergönnt, zerrissenes Fleisch und Fellfetzen. Wenigstens schien die Blutung aufgehört zu haben, aber der Boden des Aufzugs schwamm förmlich. Ich befahl der Tür, sich zu schließen, belegte sie mit einem Siegel und sorgte dafür, daß die Kabine sich nicht von der Stelle rühren würde, bis ich Zeit fand, sie wieder in einen ordentlichen Zustand zu versetzen. Will beeilte sich, als Ersatz den zweiten Aufzug nach oben zu holen. Der Kentaur war inzwischen kurz davor, die Besinnung zu verlieren, er bewegte sich mit stolpernden Hufen, und seine Beine drohten einzuknicken. Während sie in den anderen Lift drängten, schauten die Leute ihm nach, und Will erklärte mit verschwörerischem Grinsen: »Er muß sich erst einen Platz suchen, wo er unbeobachtet üben kann.«
»Reife Leistung, Nick!« äußerte der Alien, der sich in der Kabine bücken mußte. Er schien den Kentauren und Nick für eins zu halten, ungeachtet der Tatsache, daß die beiden nebeneinander standen. Während ich Maree meinen Schlüssel gab und ihren Platz an der linken Seite des Kentauren einnahm, dachte ich, das war der eindeutigste Fall von jemandem, der seinen Augen nicht traute, den ich je erlebt hatte.
Nick jedoch war empört. Er sagte aufgebracht: »Bis eben habe ich geglaubt, die Leute hier wären anders, daß sie das Wunderbare erkennen, wenn sie es sehen, aber sie sind genauso blind und dumm wie alle anderen.«
Will schaute Nick mit einer hochgezogenen Augenbraue an und kam zu dem Schluß, daß der Junge noch verstörter war als er selbst. Er zog sich den rechten Arm des Kentauren um die Schultern. »Jeder hat seine Grenzen«, sagte er.
»Nicht alle können solche Superhirne sein wie du!« Maree schaute den Flur entlang und suchte vergeblich nach meiner Zimmernummer. Mir fielen die überzähligen Ecken ein, um die ich gebogen war. Ich biß die Zähne zusammen und rückte alles wieder an seinen Platz.
»Was ist los?« erkundigte sich Will.
»Irgend jemand macht sich an dem Nodus hier zu schaffen«, erklärte ich.
Maree enthielt sich eines Kommentars, aber sie nickte mir anerkennend zu, als die Tür mit der Nu mm er 555 vor ihr haltmachte, schloß auf und übernahm das Kommando. »Bestens«, sagte sie, »jede Menge Platz. Nick, du läufst in mein Zimmer und holst die lederne Arzttasche. Rupert, du holst meinen Wasserkocher und so viele andere, wie du finden kannst, und machst Wasser heiß - aber vor allem brauchen wir etwas, um ihn
Weitere Kostenlose Bücher