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Eine Frage der Balance

Eine Frage der Balance

Titel: Eine Frage der Balance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana W. Jones
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- Nu mm er 555.«
    Will nickte stumm und ging wieder zur Tür. Ich wich Maxim, Thurless und Mallory aus, die Erklärungen von mir verlangten, die ich nicht geben konnte, und jagte die Treppe hinauf.
    Dem Kentauren zu folgen war kein Kunststück, er blutete stark. Der Teppich trug in kleinen, säuberlichen roten Halbmonden die Spur eines panikerfüllten Galopps, begleitet von dicken roten Tropfen, die glänzten wie die Applikationen auf Janines Pullover. Die Hufabdrücke führten mich den Flur hinunter, vorbei an einem Kellner, der neben seinem Servierwagen stand wie zur Salzsäule erstarrt und mich verstört anschaute.
    »Maskenball! Tomatenketchup«, rief ich ihm zu, bog um die Ecke - und fand mich in dem großen Veranstaltungssaal wieder, wo der Kentaur Teilnehmer und Publikum der nachmittäglichen Diskussionsrunde aufgescheucht hatte. Nur gut, daß diese Leute, wie es sich für Fantasyfans geziemte, eher mit Erstaunen als mit Panik reagierten. »Maskenball!« informierte ich einen schwergewichtigen Mann mit FANGS! auf dem T-Shirt, der mich mit Fragen bestürmte. »Kleines Mißgeschick. Ihnen ist sozusagen der Gaul durchgegangen.«
    »Was für ein fantastisches Kostüm!« begeisterte sich eine zierliche Dame mit dem Aufdruck OOOKAY. »Es gewinnt bestimmt den ersten Preis!«
    In Ascot vielleicht! Anscheinend war niemand so unvernünftig gewesen,den Kentauren aufhalten zu wollen - er hätte sich einen Huftritt einhandeln können. Die Blutspur führte zum hinteren Ausgang - hier ein kleiner roter Handabdruck an der Tür - und in den Flur dahinter. Ich folgte ihr nach links, nach rechts, ein Stück geradeaus, nach rechts und wieder nach rechts. Ich fluchte beim Laufen, jemand hatte sich wieder mit dem Nodus zu schaffen gemacht. Zu guter Letzt und atemlos gelangte ich in den Bereich über dem Foyer, wo sich die Aufzüge befanden. An dem mir zunächst befindlichen entdeckte ich Blutspuren. Die Türen waren geschlossen und der grüne Pfeil zeigte an, der Lift war besetzt und fuhr nach oben. Der verletzte Kentaur schien in der Kabine Zuflucht gesucht zu haben. Verständlich, aber jemand, der solche Mengen Blut verlor, brauchte medizinische Hilfe. Ich stemmte den Finger auf den Rufknopf und wollte den Aufzug nach unten.
    Der Widerstand war erheblich. Vor Anstrengung brach mir der Schweiß aus, aber die Kabine bewegte sich nur zentimeterweise, als Will angekeucht kam. Er sah elend aus.
    »Ist er da drin?« fragte er schnaufend. Ich nickte. »Dann mußt du ihn herausholen. Sie verkriechen sich, um zu sterben, wenn sie schwer verletzt sind.«
    »Dann hilf mir, verdammt noch mal!«
    »Tut mir leid.« Will legte seine etwas zittrige Hand über die meine, und wir vereinten unser Wollen. Der Kentaur war ein immens starker Kundiger; eine Zeitlang mußten wir alle Kraft aufwenden, dann aber kam der Lift mit Schwung herunter. Die Türhälften glitten auseinander. Wir rissen die Augen auf.
    Maree und Nick Mallory standen links und rechts neben dem Kentauren und stützten ihn. Ich habe nie viel mit Kentauren zu tun gehabt und bin nicht an ihren Anblick gewöhnt, deshalb spielte meine Wahrnehmung mir einen Streich. Im ersten Moment stand da für mich, diagonal in die enge Kabine gezwängt, ein kleines braunes Pferd, das den Kopf hängen ließ. Der schwarze Schweif fegte mir fast durchs Gesicht, während der Reiter auf dem Rücken des Braunen die Arme um Marees und Nicks Schultern gelegt hatte. Sein Kopf mit langem, schwarzem Haar lag an Nicks Brust: milchkaffeefarbener Teint, exquisit modelliertes Profil und ein großes dunkles Auge, mandelförmig und eingerahmt von langen dunklen Wimpern, das zur Seite gerollt angstvoll zu uns aufsah. Obwohl das Gesicht insgesamt größer war als das eines Menschen, dachte ich spontan: wie wunderschön er ist! Und Nick, stellte ich fest, brauchte den Vergleich nicht zu scheuen; obwohl sein Teint heller war, besaß er die gleiche dunkle Attraktivität.
    Dann klärte sich das Bild. Pferd und Reiter verschmolzen zu einem Wesen, unter dem sich auf dem Boden des Aufzugs eine Blutlache gebildet hatte. Maree stemmte den Zeigefinger gegen den Brillensteg und reckte das Kinn über den gebeugten Nacken des Kentauren. »Ich bin Studentin der Tiermedizin«, verkündete sie. »Wir waren auf dem Weg in mein Zimmer, um erste Hilfe zu leisten, bis ihr zwei Idioten euch eingemischt habt.«
    »Bringen wir ihn in mein Zimmer«, schlug ich vor. »Es liegt näher beim Aufzug.« Will und ich drängten uns neben dem

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