Eine Frage der Zeit
«hipp-hipp-hurra!», während im Wald an einer anderen Stelle ein zweites Feuerlicht aufblitzte, gefolgt von neuerlichem Pfeifen, einer weiteren Wasserfontäne und erneutem Hurragebrüll, buumm-zziiiischsch-plaasch – Totenstille –«hipp-hipp-hurra!» So brüllten die Askari in Beantwortung jeder feindlichen Granate, und so ging das weiter in einem fort: buumm-zziiiischsch-plaasch-hipp-hipp-hurraaaa! buumm-zziiiischsch-plaasch-hipp-hipp-hurraaaa! buumm-zziiiischsch-plaasch-hipp-hipp-hurraaaa! buumm-zziiiischsch-plaasch-hipp-hipp-hurraaaa! Anton Rüters Herz hämmerte, als wollte es aus seinem Käfig springen, seine Innereien wollten ihm nicht mehr gehorchen, mit weit aufgerissenen Augen blickte er ins Leere. Was er sah, war der Schlund der Hölle, der Abgrund des Wahnsinns, die Fratze des Bösen. BUUMM-ZZIIIISCHSCH-PLAASCH-HIPP-HIPP-HURRAAAA!, UND DAZWISCHEN DAS PLACK-PLACK-PLACK-PLACK DER H OTCHKISS- K ANONEN, IMMER UND IMMER WIEDER. D IE BELGISCHEN K ANONIERE ZIELTEN SCHLECHT, ENTWEDER ZU KURZ ODER ZU LANG, ODER VOR DEN B UG ODER HINTERS H ECK. U NBEIRRT FRÖHLICH DAMPFTE DIE W ISSMANN IM Z ICKZACKKURS WEITER, ALS WÜRDE SIE S ONNTAGSAUSFLÜGLER ÜBER DEN T ITISEE FAHREN, SCHLUG JEDES M AL EINEN H AKEN, WENN IM W ALD M ÜNDUNGSFEUER AUFBLITZTE, BESCHRIEB EINEN WEITEN B OGEN ÜBER DEN S EE HINAUS UND HIELT DANN ERNEUT GERADEWEGS AUFS U FER UND AUF DIE D ELCOMMUNE ZU, UND DANN BELLTEN WIEDER DIE H OTCHKISS- K ANONEN, PLACK-PLACK-PLACK-PLACK, UND DANN DREHTE DIE W ISSMANN WIEDER AB, DIESMAL NACH N ORDEN, WIEDERUM VERFOLGT VON DEN BELGISCHEN K ÜSTENBATTERIEN, BUMM-ZZIIIISCHSCH-PLAASCH-HURRAAAA! BUMM-ZZIIIISCHSCH-PLAASCH-HURRAAAA!
Das Gefecht dauerte zwei Stunden. Die schweren belgischen Geschütze trafen die kreisende und Haken schlagende Wissmann kein einziges Mal; nur einmal durchschlug eine Granate die Heckfahne, und zwar mitten durch die Brust des Reichsadlers hindurch. Die reglos vor Anker liegende Delcommune aber war für die deutschen Revolverkanonen ein leichtes Ziel. Bei jedem Angriff musste sie mehrere Treffer hinnehmen, die ihr armdicke Löcher in den Rumpf schlugen, welche die belgischen Askari notdürftig stopften, indem sie von innen armdicke Knüppel Feuerholz hindurch steckten. Schließlich ragten derart viele Knüppel aus ihrem Leib, dass sie nicht mehr wie ein Schiff aussah, sondern wie ein stacheliges Seeungeheuer. Der Schornstein war zerfetzt, die Dampfmaschine durchsiebt, der Rumpf voll Wasser. Mit letzter Kraft lichtete sie den Anker und setzte sich, um nicht vollends zu sinken, auf den Strand.
10
Brennholz bis zum Jüngsten Tag
Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Spicer Simson das Gefühl, ein für alle Mal gestrandet zu sein. Das Kriegsministerium hätte ihn, statt ihn in den Verwaltungsdienst zu versetzen, ebenso gut in Galeerenhaft nehmen können. Er trug Zivil statt Uniform. Er hatte kein Schiff und keine Männer mehr, und er war ein kleiner Bürobeamter hinter einem schäbigen Schreibtisch, fünfzig Seemeilen vom offenen Meer entfernt. Sein Büro war eine muffige Zelle im Erdgeschoss, etwa fünf Schritte lang, ebenso breit und fast gleich hoch, und die Wände hatten die Farbe von faulem Blumenkohl. Als Heizung diente ein nackter, offener Kamin. Auf dem Sims stand ein Tablett mit einer rissigen Teekanne und zwei leeren Tassen, darüber hing eine Photographie des Königs. Durch das vergitterte Fenster konnte man Pferdefuhrwerke, Mülltonnen und Kohleschächte sehen; manchmal landete auf dem Fenstersims eine Taube, deren rechter Fuß verkrüppelt war. Von der Decke baumelte eine nackte Zwanzig-Watt-Glühbirne, die beim geringsten Luftzug ins Pendeln geriet und schwankende Schatten hinter das Mobiliar warf, das aus einem Aktenschrank, zwei Schreibtischen und zwei Drehstühlen bestand. Am einen Schreibtisch saß ein altgedienter Marinemajor namens Thompson, der schweigsam und zufrieden Pistazienkerne knabberte und die Schalen ins Kaminfeuer spuckte. Am anderen Schreibtisch saß Geoffrey Spicer Simson. Ihre Arbeit bestand darin, die Personalakten von Handelsmatrosen durchzusehen und geeignete Kandidaten zur Rekrutierung für die Kriegsmarine zu empfehlen.
Tagein, tagaus.
Es war ihm kein Trost, dass sein Büro im Erdgeschoss des Kriegsministeriums lag, mitten in Whitehall, der Machtzentrale des Imperiums, und dass drei Stockwerke über ihm Kriegsminister Winston Churchill Entscheidungen von historischer Tragweite fällte. Zwar waren es nur drei Stockwerke, die Spicer
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