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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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egal.»
    «Das muss ich allerdings zugeben.»
    «Sie werden mich bei der ersten Gelegenheit sabotieren, vielleicht haben Sie es schon getan. Ich nehme Ihnen das nicht übel, aber ich kann es nicht zulassen, und deswegen rede ich mit Ihnen. Ich will Ihnen beweisen, dass es noch immer drauf ankommt, was wir hier tun und lassen, auch wenn die Telegraphenstation tot und die Eisenbahnlinie unterbrochen ist. Ich will Ihnen zeigen, dass jede unserer Handlungen ihre Ursache, ihr Ziel und ihre Wirkung hat, auch die kleinste und unscheinbarste. Sie haben doch verstanden, weshalb wir die Götzen so rasch als möglich fertig stellen müssen?»
    «Um die Kontrolle über den See zu behalten.»
    «Richtig. Wenn der See unser ist, gehört uns auch das Ufer, und dann möglicherweise alles Land hinter den Ufern. Das ist eine Menge Land, Rüter. Rhodesien, Kongo, Ruanda, Urundi, eventuell sogar Uganda und Kenia – mithilfe der Götzen können wir uns die Kontrolle über ein schönes Stück Afrika sichern. Und je stärker wir in Afrika sind, desto schwächer wird der Feind auf dem europäischen Schlachtfeld. Je mehr Soldaten die Briten gegen uns nach Afrika schicken müssen, desto weniger haben sie an der Marne zur Verfügung. Können Sie mir folgen? Und Sie auch, Wendt?»
    Anton Rüter schwieg. Hermann Wendt, für den das Räderwerk marxistischer Geschichtstheorie längst zum Stillstand gekommen war, schwieg ebenfalls.
    «Es ist also nicht auszuschließen, dass wir mit unserem Kasperletheater die Schlächterei in Europa erheblich beeinflussen, verstehen Sie? Deshalb muss der Stromgenerator wieder her – jetzt gleich, heute noch. Ich frage Sie beide noch mal, ich frage Sie ein letztes Mal: Wissen Sie etwas über dessen Verbleib?»
    «Nein», sagte Rüter. Hermann Wendt schüttelte den Kopf.
    «Sind Sie sicher?»
    «Ganz sicher.»
    «Gut. Wie Sie vermutlich ahnen, habe ich Grund zur Annahme, dass diese dreizehn Massai etwas mit seinem Verschwinden zu tun haben. Sie kennen die Männer?»
    Anton Rüter nickte.
    «Der lange Dünne ist der Häuptling?»
    «Ein Neffe des Königs der Wa-Taveta. Und mein persönlicher Freund. Lassen Sie ihn bitte unverzüglich frei, Herr Kapitänleutnant.»
    «Ich werde Ihren Freund jetzt auspeitschen lassen, Gefreiter Rüter. Zweimal fünfundzwanzig Schläge mit der Nilpferdpeitsche. Dann lassen wir ihn laufen, soweit er dazu noch in der Lage ist. Die anderen zwölf bleiben über Nacht hier, und dann wollen wir alle hoffen, dass der Generator im Schutz der Dunkelheit aus dem Busch zurückkehrt. Falls nicht, treffen wir uns morgen wieder zur selben Prozedur mit dem nächsten Delinquenten, und dann übermorgen und überübermorgen, jeweils um dieselbe Uhrzeit, am selben Ort, in identischer Aufstellung, und zum selben Zweck.»
    Kapitänleutnant von Zimmer schlief einen unruhigen Schlaf in jener mondlosen Nacht. Es quälten ihn die Mücken, das Fieber und der Durchfall sowie die Frage, ob der Stromgenerator schon unterwegs sei, und ob er vielleicht einen Fehler gemacht habe, als er den Häuptling hatte auspeitschen lassen. Wenn dieser seinen Stolz höher gewichtete als die körperliche Unversehrtheit seiner Männer, würde er sich für die fünfzig Peitschenhiebe rächen; und nach der langen Ansprache, die von Zimmer gehalten hatte, wusste jetzt ganz Kigoma, wie man ihn am empfindlichsten treffen konnte. Der Kapitänleutnant fuhr von seinem Kissen hoch beim Gedanken, dass vielleicht gerade in diesem Moment ein Trupp Massai auf den See hinausruderte, um den Generator an einer tiefen Stelle zu versenken. Er erwog einen Augenblick, die Wissmann auf nächtliche Patrouille zu schicken und sämtliche Fischerboote auf dem See durchsuchen zu lassen, sah dann aber die Sinnlosigkeit des Unterfangens ein. Ebenso gut konnte der Generator schon irgendwo sechs Fuß unter der Erde liegen, oder ein Bantu-Schmied konnte ihn längst zu Speerspitzen oder Pflugscharen verarbeitet haben.
    Solange es dunkel war, gab es nichts, was der Kapitänleutnant tun konnte. Falls der Generator aber wirklich verloren war, standen ihm große Schwierigkeiten bevor. Erstens würde sich der Stapellauf der Götzen um Monate verzögern, und zweitens wäre der Kapitänleutnant gezwungen, an jedem einzelnen der folgenden zwölf Tage jeweils zur Mittagsstunde einem gefangenen Massai fünfzig Peitschenhiebe verabreichen zu lassen. Das wäre zwar sinnlos und würde nicht das Geringste dazu beitragen, den Generator aus den Tiefen des Seegrunds zurück ans

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