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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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Kaserne zu gelangen. Beide waren noch geschwächt vom kürzlich überstandenen Fieber, und Rüters Verdauung war seit Monaten durcheinander, und Wendt hatte einen schmerzhaften Abszess am linken Auge und Sandflöhe unter den Zehennägeln. Sie murmelten abwechselnd kleine Bemerkungen über das Wetter und den See und die Arbeit, vermieden aber jede Andeutung auf die bevorstehende Begegnung und gingen dem Unvermeidlichen langsamen Schrittes und mit gesenkten Köpfen entgegen.
    Als sie sich dem Eingangstor auf zehn Schritte genähert hatten, schwangen die Flügeltüren zurück und gaben den Weg in den Innenhof frei. Links und rechts hatte in der sengenden Mittagssonne eine Kompanie Askari Aufstellung genommen. In der Mitte standen, die Gesichter dem Tor zugewandt, in einer Reihe dreizehn Massai, die durch Halseisen und Ketten miteinander verbunden waren. Am rechten Ende der Kette stand Anton Rüters Freund Mkenge. Er hob zum Zeichen des Erkennens die Brauen und lächelte. Rüter und Wendt blieben stehen. Beide sahen sich nach Rudolf Teilmann um, aber der war nirgends zu sehen.
    Kapitänleutnant von Zimmer saß hinter den Massai unter dem Schattendach, umgeben von acht weiteren Offizieren. Mit der linken Hand streichelte er eine kleine, weiße Ziege, die neben ihm angepflockt war. «Treten Sie näher, meine Herren, und nehmen Sie Platz», rief er mit gespielter Munterkeit und deutete auf zwei leere Klappstühle, die links und rechts von ihm standen. «Sie sind pünktlich, das ist erfreulich. Dann wollen wir im Dienste der Sache gleich anfangen.»
    «Kapitän, das dürfen Sie nicht tun», sagte Rüter leise. «Lassen Sie die Männer frei.»
    «Sie vergessen sich, Gefreiter Rüter. Schweigen Sie und setzen Sie sich hin. Sie auch, Landsturmmann Wendt.»
    Von Zimmer gab zwei Askari einen Wink, worauf diese die dreizehn Massai mit einem einzigen Ruck an der Eisenkette zu Boden rissen. Die Massai stürzten in zwei gegenläufigen Wellenbewegungen in den Staub, zuerst jene an den Enden der Kette, zuletzt jene in der Mitte. Dann streckten sie sich lang aus, legten ihre Gesichter in stolzer Schicksalsergebenheit in den Staub und hielten still. Es machte ganz den Anschein, als ob ihnen der weitere Verlauf der Prozedur bekannt sei.
    «Ich habe Sie heute rufen lassen», hob von Zimmer mit schneidender, weit über den Platz hallender Stimme an, «weil es eine Frage zu klären gilt, die nach meiner Einschätzung von allergrößter, nicht überschätzbarer Bedeutung ist. Das folgende Verfahren wird für uns alle schmerzhaft und unangenehm sein. Es ist mir deshalb wichtig, Ihnen meine Beweggründe verständlich zu machen.» Von Zimmer stand auf, trat unter dem Schattendach hervor und schritt schweigend die Reihe der am Boden liegenden Massai ab. Dann blieb er abrupt stehen und kehrte an seinen Platz zurück, als sei er zu einem neuen Entschluss gelangt.
    «Wissen Sie was, Rüter, eigentlich will ich nur mit Ihnen reden. Es ist längst an der Zeit, dass wir uns ernsthaft unterhalten.» Von Zimmer neigte den Kopf seitlich zu Rüter hin, als seien sie alte Freunde, und sprach leise und zutraulich, aber doch laut genug, dass man ihn über den ganzen Platz hören konnte. «Es wäre für uns beide von Nutzen, wenn Sie mich nicht als Ihren Feind betrachten würden. Wir befinden uns beide in einer ganz ähnlichen Lage, ist es nicht so? Sie und ich sitzen hier draußen im Busch am Ende der Welt inmitten von Krokodilen und Affen und Negerjungs und schlagen uns mit albernem Kram herum, und dabei möchten wir doch beide längst nur noch nach Hause.»
    «Ich habe hier ein Schiff zu bauen, Herr Kapitänleutnant», erwiderte Rüter vorsichtig und behielt dabei die Askari und die im Staub liegenden Massai im Auge. «Wenn das erledigt ist, werde ich sehr gern heim nach Papenburg fahren.»
    Von Zimmer nickte nachdenklich. «Papenburg, richtig», sagte er und schmunzelte, als sei Papenburg ihm ein Ort köstlichster Jugenderinnerungen. «Ich bin aus Regensburg, Sie sind aus Papenburg. Sie bauen Schiffe, ich versenke Schiffe. Wir haben einiges gemeinsam.»
    «Wie Sie meinen, Herr Kapitänleutnant.»
    «Jeder von uns macht seine Arbeit. Jeder grillt sein Hähnchen, macht mittags sein Nickerchen und gibt acht, dass er nicht von den Hyänen gebissen wird. Wir sitzen im selben Boot.»
    «Mag sein», erwiderte Rüter. «Aber Sie haben das Steuer in der Hand.»
    «Meinen Sie?» Von Zimmer lachte. «Glauben Sie wirklich, dass ich den Kurs bestimme?»
    «Wer sonst,

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