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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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Sieger in die Seele geschaut und einem großmäuligen Verlierer – und all dies, Du ahnst es, vereint in der unergründlich schlichten Person von Commander Geoffrey Basil Spicer Simson. Aber lass Dir der Reihe nach berichten (rasch, rasch! Hauptmann Zetterland steckt sich draußen gerade die zweite Zigarette an).
    Weihnachten begann fröhlich. Selbstverständlich gab es viel Gejohle und gegenseitige Schulterklopferei, als Mimi und Toutou endlich im Wasser lagen. Wir hatten es geschafft. Es mag komplett sinnlos sein, zwei Wasserfahrzeuge zweitausend Meilen über Land zu schleppen, aber eine nicht geringe Leistung ist es ohne Zweifel, weshalb wir einander bei einer improvisierten Feier beglückwünschten und verdientermaßen mit ungekühltem, körperwarmem Champagner anstießen, den der Commander eigens für diesen Anlass hatte mitführen lassen. Sonderbar war nur, dass Spicer selbst nicht mittrank. Er beteiligte sich nicht an der Schulterklopferei, sondern hielt sich ein wenig abseits, und er trank nicht mit, sondern nippte nur an seinem Glas, und wenn man ihn ansprach, lächelte er abwesend und behielt stets seine zwei Boote im Auge. Er war so still, dass ich mich um seine Gesundheit zu sorgen begann. Aber als ich ihn fragte, ob er sich nicht wohlfühle, sagte er: «Im Gegenteil, mein lieber Hanschell, im Gegenteil.» Während die Feier noch im Gange war, stellte er leise sein Glas beiseite und ging hinunter zum Kai, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass Mimi und Toutou nicht leckten, und dass die Motoren störungsfrei liefen und die Geschütze ordnungsgemäß montiert waren.
    Der folgende Tag war Heiligabend und hatte so wenig Weihnachtliches, wie Du Dir nur denken kannst. Unbarmherzig brannte schon frühmorgens die Sonne auf die Strohdächer unserer Lehmhütten, die Zikaden kreischten in den Affenbrotbäumen, und weit und breit gab es keinen Tannenbaum, keine Weihnachtsgans und keine leuchtenden Kinderaugen. Einzig mein Nachbar, ein rothaariger Matrose irischer Abstammung, hatte seine Hütte mit allerhand Grünzeug geschmückt. Ich putzte mir gerade vor meiner Hütte die Zähne, als der Commander hinzukam und die Dekoration entdeckte. «Was ist das», näselte er, «ein Hurenhaus? Nehmen Sie das Zeug sofort herunter und verbrennen Sie es.»
    Nachmittags standen die ersten Probefahrten und Schießversuche auf dem Programm, und Spicer bestand darauf, dass ich an seiner Seite mitfuhr. Die Boote hielten dicht und bewegten sich leicht und wendig übers Wasser, erreichten aber nur eine Geschwindigkeit von dreizehneinhalb Knoten, was doch deutlich weniger war als die zwanzig Knoten beim Probelauf auf der Themse ein halbes Jahr zuvor. Spicer verfolgte stirnrunzelnd, wie die Mechaniker hektisch an den Einlassventilen schraubten, Kerzen und Luftfilter putzten und die Kabelzüge überprüften, und ich selbst behielt den Commander im Auge in Erwartung eines quichotesken Auftritts. Als aber alle Schrauberei nichts nützte und die Höchstgeschwindigkeit auch im zweiten Anlauf bei dreizehneinhalb Knoten blieb, überraschte er mich aufs Neue, denn er sagte nur: «Gentlemen, bitte beruhigen Sie sich, das liegt am Seegang, der hier naturgemäß stärker ist als auf der Themse. Das ist uns jetzt einfach egal, wir sind auch so noch doppelt so schnell wie die Deutschen. Lassen Sie uns zum Schießversuch übergehen und hoffen, dass die Verschlussringe an den Lafettensockeln diesmal ordentlich verriegelt sind, damit Schütze und Geschütz an Bord bleiben. Der See ist, wie Sie wissen, voller Krokodile.»
    Darauf beschleunigten die Bootsführer Mimi und Toutou auf Höchstgeschwindigkeit, und beide Kanoniere gaben je einen Schuss ab. Sie blieben an Bord, die Geschütze ebenso.
    Der Weihnachtstag verging ereignislos. Die Arbeit war erledigt, wir hatten alles getan, was zu tun war. Jeder von uns wusste, dass jetzt nur noch das Warten blieb, und dann würde das Schießen beginnen, das Töten und das Leiden und das Sterben in einem fremden Land unter fremden Menschen für eine Sache, die jedem Einzelnen von uns im Grunde genommen fremd und unverständlich war. Nachmittags spielten wir Kricket, abends betranken wir uns mit schottischem Whisky und gingen früh zu Bett, wie es in den Tropen üblich ist.
    Da der Stephanstag ein Sonntag war, döste ich weit in den Morgen hinein, ließ mir von meinem Boy einen Tee bringen und stand erst auf, als dieser mir zuraunte, der Commander empfange dauernd Eilboten und sende welche aus, und zweimal

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