Eine Frage der Zeit
Grünschnabel hinunter an den See zu stürzen und den Deutschen ins offene Messer zu laufen. Bisher war die Expedition auf ihrer gesamten Länge von zehntausend Meilen zwar mühselig, aber insgesamt ziemlich risikolos gewesen. Richtig gefährlich, das wusste Spicer, würde die Reise erst auf ihren letzten hundert Yards werden. Denn während jener halben Stunde, da Mimi und Toutou über den Strand ins Wasser geschleppt wurden, würden die Boote weithin sichtbar und wehrlos sein, schutzlos jedem Angriff ausgesetzt wie frisch geschlüpfte Schildkrötenbabys, und ihre stärkste Waffe – ihre Geschwindigkeit – würden sie erst ausspielen können, wenn sie das Wasser erreicht hatten. Natürlich war es extrem unwahrscheinlich, dass der deutsche Dampfer, den zu versenken er hergekommen war, ausgerechnet während jener halben Stunde auftauchte, aber Spicer wollte auch dieses Risiko ausschließen und vorerst unsichtbar bleiben. Er ließ in der Talsohle vor dem letzten Hügelzug ein camoufliertes Nachtlager herrichten. Kein Feuer, kein Geschrei, kein Gehämmer, kein Laternenlicht.
Während die Männer die Zelte aufbauten, erkundete Spicer das umliegende Gelände. Hier würde er eine Maschinengewehrstellung bauen und dort einen Schützengraben ausheben lassen, und den Proviant würde man hoch im Geäst eines alten Affenbrotbaums in Sicherheit bringen. Um das ganze Lager müsste man eine massive Dornenhecke ziehen, und Mimi und Toutou würde man, bis der Zugang zum Hafen gesichert war, im Dickicht verstecken und gründlich mit Ästen und Zweigen zudecken.
Da näherte sich vom See her unter lautem Rufen und Winken ein Mann. Der Mann trug einen rosa Damenschirm, sein Hemd flatterte über der Hose, er war barfuß und unrasiert, und das Haar stand ihm in Zotteln vom Kopf ab. An den Ärmeln hatte er schwer entzifferbare Rangabzeichen, und er roch nach Schnaps. Der Mann salutierte und stellte sich vor als Major Stinghlamber, Kommandant der belgischen Garnison in Albertville. Dann gab er seiner Freude über die lang erwartete Verstärkung Ausdruck, indem er seinen rosa Schirm über Spicer Simson hielt und ihn, bevor der sich zur Wehr setzen konnte, nach kontinentaleuropäischer Art auf beide Wangen küsste. Dieser ging zum Gegenangriff über, indem er unter dem Schirm hervortrat, die zottelige Gestalt des Belgiers mit einem eisigen Blick maß und sagte: «Jetzt hören Sie mir gut zu, mein lieber Junge…» Aber dann besann er sich und winkte ab. «Na gut, Major, an die Arbeit. Als Erstes wollen wir uns den Hafen und die Geschützstellungen ansehen. Leutnant Hanschell! Sie kommen mit.»
Die Sache war die, dass es keinen Hafen und auch keine Geschützstellungen gab. Spicer war außer sich. Noch vor dem Start der Expedition hatte ihm der belgische Militärattache in London versichert, dass der Hafen bestens eingerichtet sei, und jetzt war überhaupt keiner da. Was die Belgier einen Hafen nannten, war nichts weiter als die Mündung des Lukuga-Flusses, an dessen Ufern beidseits ein paar Ruderboote und Segeidhaus auf dem Strand lagen, und mitten unter ihnen das Wrack der Alexandre Delcommune.
«Major Stinghlamber, ich verstehe nicht ganz», sagte Spicer scharf. «Wo ist denn hier bitte der Pier? Wo versteckt sich die Artillerie, die uns vor gegnerischen Angriffen schützt? Wo sind die Wellenbrecher, die uns vor schwerer See bewahren?»
Der belgische Kommandant grinste unter seinem rosa Sonnenschirm hervor und rieb sich den Nacken. «Na ja, wir haben zwei 85-mm-Geschütze beidseits über der Flussmündung postiert, das eine da und das andere dort, sehen Sie? Und wenn ein Sturm aufzieht, ziehen wir die Boote ein bisschen weiter den Strand hoch.»
«Ich bin schockiert, Major. Ich werde Meldung an Ihre Vorgesetzten erstatten.»
«Meine Vorgesetzten wissen Bescheid, Commander. Verstehen Sie bitte, wir sind hier nicht in England, hier läuft nicht immer alles fein säuberlich nach Lehrbuch. Das hier ist Afrika, da muss man…»
«Ich weiß sehr gut, wo wir uns befinden, mein lieber Junge, und ich weiß, was man in Afrika muss und nicht muss. Solange ich noch aufrecht stehen kann, werden meine Schiffe nur dort zu Wasser gelassen, wo es einen anständigen Hafen gibt.»
«Es gibt hier aber keinen anständigen Hafen, Commander.»
«Das sehe ich.»
«Der einzige Hafen, den es an diesem See überhaupt gibt, ist jener in Kigoma, und der ist fest in der Hand der Deutschen.»
«Dann werden wir eben einen bauen.»
«Was sagen Sie,
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