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Eine Frage der Zeit

Eine Frage der Zeit

Titel: Eine Frage der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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schon sei er zum Hafen hinuntergelaufen und habe die Bootsmotoren angeworfen, um sie gleich wieder auszuschalten. Da wusste ich, dass hier etwas im Busch war. Ich zog mich rasch an und lief zu ihm, aber Spicer ließ sich nichts anmerken, sondern begrüßte mich mit der gewohnten distanzierten Höflichkeit, die er sich während der Expedition angeeignet hatte. Beim gemeinsamen Frühstück in der Offiziersmesse, die aus nicht viel mehr als einem langen Tisch unter einer Zeltplane besteht, fragte er seine Tischnachbarn mit väterlicher Fürsorglichkeit nach deren Befinden, machte kleine Bemerkungen übers Wetter und die Qualität des schottischen Whiskys, der dem irischen und erst recht dem englischen doch immer noch weit überlegen sei, und erzählte eine Schnurre aus seiner Kadettenzeit, in der es um ungenießbares Pökelfleisch, einen begriffsstutzigen Schiffskoch und einen angriffslustigen Ziegenbock ging. Um halb zehn Uhr hatten alle Mann auf dem Exerzierplatz anzutreten zur morgendlichen Inspektion, dann zum Fahnenaufzug und zum sonntäglichen Gottesdienst. Wir ließen uns zum Gebet auf die Knie nieder und sangen «O little town of Bethlehem», und dann las Spicer wie jeden Sonntag ein paar Seiten aus der Genesis vor. Dabei wandte er dem See den Rücken zu, während wir Soldaten, die wir in Formation vor ihm strammstanden, freie Sicht bis hinüber ans deutsche Ufer hatten. Gerade als Spicer zu der Stelle kam, an der die Sintflut zurückgeht und Gott erkennen muss, dass Noahs Nachfahren genauso verderbt sind wie dessen Vorfahren, tauchte in unserem Blickfeld fröhlich prustend und rauchend ein kleiner deutscher Dampfer auf – es war die Kingani. Diese Erscheinung verursachte in unseren Reihen natürlich einige Unruhe, die sich durch Gescharre, Geflüster und Gehüstel bemerkbar machte. Der Commander aber sah nur kurz von der Bibel auf, sagte: «Bitte, Gentlemen» und kehrte in aller Ruhe an die Stelle zurück, an der Gott den Menschen verspricht, nie wieder eine Sintflut über die Welt zu bringen, und ihnen als Zeichen des Bundes den Regenbogen schickt. Als Spicer geendet hatte, hob er die Hand, um anzuzeigen, dass wir noch nicht entlassen seien, wandte uns den Rücken zu und betrachtete ausgiebig die Kingani, die bis auf zwei Meilen herangekommen war. Dann machte er erneut auf dem Absatz kehrt, musterte gereckten Kinns unsere Reihen und rief: «Alle Mann abtreten und saubere Kleidung anziehen! Boote klarmachen zum Gefecht!» Worauf alle Mann unter mächtigem Stiefelgetrappel davon stoben. Commander Spicer Simson ging gemessenen Schrittes hinunter zum Hafen, der etwa vierhundert Yards vom Exerzierplatz entfernt lag. Ich holte ihn ein und fragte, ob ich an seiner Seite mit an Bord dürfe, aber er lachte nur und sagte: «Unsinn, Doktor, Sie sind viel zu kostbar! Wir brauchen Sie womöglich hernach hier an Land!» Also begnügte ich mich mit meiner gewohnten Rolle als Zuschauer, holte Deinen Operngucker und meinen Klappstuhl aus der Hütte und ging zusammen mit allen anderen Zaungästen hinauf zu einer Anhöhe, von der aus man eine schöne Übersicht über den See hat. Manche hatten Tee dabei und andere Zwieback, und wieder andere gaben Zigaretten aus, und einen Steinwurf hinter uns versammelten sich schaulustige Eingeborene, erst einzelne, dann Dutzende und schließlich Hunderte. Alle beobachteten wir gespannt, wie die Kingani von Norden herankam und sich immer mehr der Küste näherte, bis sie am Hafen vorbeifuhr und sich in südlicher Richtung entfernte.
    Schon schien es, als würde das feindliche Schiff hinter der nächsten Landzunge verschwinden, ohne dass unsere Boote aus ihren Verstecken hervorkamen, und schon fingen links und rechts von mir die ersten Zuschauer an zu murren, als wohnten sie einem faden Fußballspiel bei; ich aber beobachtete in atemloser Spannung das unvergessliche Schauspiel, wie Commander Spicer Simson in kerzengerader Haltung und eherner Ruhe am äußersten Ende des Piers stand und durchs Fernglas die südwärts fahrende Kingani verfolgte; ich wusste, dass er mit dem Angriff warten wollte, bis er ganz sicher sein konnte, dem feindlichen Schiff den Rückweg nach Kigoma abzuschneiden. Und als es so weit war, ging er ohne jede Eile zurück zum Anlegeplatz, schwang sich an Bord der Mimi und nahm ganz zuvorderst im Bug Aufstellung, und dann schossen beide Boote hinaus auf den See und näherten sich rasch der Kingani, die unbeirrt und offensichtlich nichts ahnend südwärts dampfte.
    Es war ein

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