Eine Frage der Zeit
sprang die Kellertür auf. „Stürmer, das Messer weg, sofort“, brüllte Susanne Staller, die Pistole im Anschlag. Der Mörder überlegte einen Sekundenbruchteil zu lange. Die Polizistin feuerte. Der Knall des Schusses hallte ohrenbetäubend durch den kleinen Raum. Stürmer schien zu erstarren. Dann, nach einigen Sekunden, die Katja endlos erschienen, glitt das Messer aus seiner Hand und fiel scheppernd zu Boden. Erst jetzt kippte er langsam zur Seite und blieb jämmerlich stöhnend neben ihr liegen.
Susanne Staller sprang über Katja hinweg und kniete sich auf den vor Schmerzen schreienden Stürmer. Ohne auf seine Verletzung zu achten, riss sie seine Arme auf den Rücken und legte ihm Handschellen an. Hinter ihr eilte Velten in den Raum: „Um Gottes Willen, Marcks, sind Sie verletzt?“ Er griff ihr unter die Arme und wollte ihr auf die Beine helfen. „Sie bluten ja.“
„Das ist nichts, nur ein Kratzer“, murmelte sie. Dann wurde ihr schwarz vor Augen.
- - -
Luigi hatte eben die Überreste der drei Pizzen abgeräumt. Velten freute sich auf einen starken Espresso. Ihm gegenüber saßen Susanne und Katja Marcks. Dass seine junge Kollegin vor vier Tagen dem Tod nur um Haaresbreite entgangen war, merkte man ihr nicht an. Nur das Pflaster an ihrem Hals erinnerte äußerlich an die Ereignisse in jenem schmutzigen Keller.
„Sie beide müssen mir endlich erklären, woher Sie wussten, wo Stürmer mich gefangen hielt“ forderte Marcks.
„Ihre Rettung verdanken Sie der unschlagbaren Kombination von Waldenthals bester und einziger Tageszeitung und dem exzellenten Spürsinn der örtlichen Ermittlungsbehörden“, fabulierte Velten umständlich.
Marcks lachte: „Haben Sie es nicht etwas kleiner?“
„Na gut, also die Kurzfassung. Nachdem wir Sie vergeblich in Fleischmanns Mausefalle gesucht hatten, konnten wir den Hinweis in Ihrer reichlich kryptischen SMS entziffern. Sie wissen schon: Alles nur eine Frage der Zeit. Da wussten wir, dass Stürmer alias Linaud Sie gekidnappt hatte.“
„Ich alarmierte sofort die Kollegen in Saarbrücken“, ergänzte Susanne. „Dann machten wir uns auf den Weg in die Galerie des angeblichen Eric Linaud.“
Velten fuhr fort: „Unterwegs dämmerte uns, dass Ihr Entführer total verrückt sein müsste, wenn er Sie mitten in der Saarbrücker Innenstadt gefangen halten würde. Dann fiel mir das Bild in seinem Büro ein.“
„Das Wochenendhaus von Elke Volkmer“, erinnerte sich Marcks. „Er hatte das Aquarell für sie gemalt.“
„Genau. Irgendwie schien es mir naheliegend, dass die Volkmer und Stürmer während der letzten Jahre sehr oft dort gewesen sein müssen. In Waldenthal konnten sie sich schließlich nicht treffen. Die Gefahr, dass Stürmer in seiner Heimatstadt trotz seiner Gesichtsoperation erkannt werden könnte, war viel zu groß.“
Marcks runzele die Stirn: „Aber Linaud beziehungsweise Stürmer hatte uns doch überhaupt nicht gesagt, wo dieses Haus steht. Er erwähnte nur etwas von Lothringen. Wie konnten Sie wissen, wo Sie suchen mussten.“
Luigi kam mit einem Tablett an den Tisch. Er servierte Susanne den üblichen Capuccino und Velten seinen Espresso. Marcks hatte Tiramisu bestellt. Velten schüttete Zucker in seinen Kaffee. „Denken Sie scharf nach. Sie kommen sicher darauf. Es war eine meiner zahlreichen genialen Eingebungen, die Ihnen das Leben gerettet hat.“
„Der letzte geniale Geistesblitz war über Sie gekommen, nachdem Fleischmann Ihnen die Nase blutig geschlagen hatte“, spottete Marcks. „Aber der stand Ihnen ja an jenem Abend nicht wieder zur Verfügung.“
Susanne lachte: „Ist das wahr, Max? Deine Hirnleistung steigt, wenn man dir auf die Nase haut? Wie schade, dass ich das nicht schon wusste, als wir noch verheiratet waren.“
Die Frauen kicherten und Velten verzog gequält das Gesicht. „Frau Marcks will nur davon ablenken, dass sie keine Ahnung hat, wie ich darauf kam, wo Stürmer sie gefangen hielt.“
Marcks schob sich eine große Portion Tiramisu in den Mund. Plötzlich erhellte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie deutete mit der Gabel auf Velten: „Kreutzer!“
„Stimmt genau. Kreutzer war ja vor Stürmer mit Elke Volkmer liiert. Da er verheiratet war, brauchte er unbedingt ein geheimes Plätzchen, wo er sich mit seiner Geliebten treffen konnte. Also dachte ich mir, dass er ebenfalls wissen musste, wo sich ihr Wochenendhaus befand. “
„Max rief Kreutzer an und der verriet ihm, dass der alte Bauernhof in den
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