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Eine Frage des Herzens

Eine Frage des Herzens

Titel: Eine Frage des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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annehmen, dass sie auf und davon war, die Familie im Stich gelassen hatte wie so viele andere undankbare Dienstboten. Sie hatte gehört, dass sich Vivian, die letzte Köchin, während einer Dinnerparty für dreißig Personen die Schürze heruntergerissen und das Haus verlassen hatte, und das alles wegen eines Schokoladensoufflés, das zusammengefallen war. Glaubte Mrs. Wells zumindest …
    Obwohl sie Vivian nie begegnet war, hatte Kathleen das Gefühl, sie zu kennen. Pierce hatte ihr von ihrer Vorgängerin erzählt, während er sich in ihr bewegte. Er hatte ihr ins Ohr geflüstert, dass er sie erregender, feuchter und netter finde als Vivian, williger, eifriger und sexuell aufreizender. Ihr irischer Akzent gefalle ihm besser als Vivians französischer, und ihre Brüste seien größer und die Brustwarzen hübscher.
    Kathleen hatte ihn innerlich ausgeblendet. Sie dachte an Vivian, während Pierce in ihr war, und fragte sich, ob sie ihn geliebt hatte, ob er ihr Märchenprinz war oder ob sie genau wusste, worauf sie sich eingelassen hatte. Kathleen hatte sich keine Illusionen gemacht. Sie hatte es nie der Mühe für wert befunden, sich etwas vorzumachen. Sie hatte sich nie eingeredet, dass Pierce sie liebte – und dass sie ihn nicht liebte, war so sicher wie das Amen in der Kirche.
    O Gott, der Drang, Wasser zu lassen, wurde zunehmend schlimmer, doch das sei in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten gang und gäbe, wie es in dem Babybuch hieß, das sie gekauft hatte. Sie hätte es auch so bemerkt – ihre Blase schrie geradezu nach Erleichterung. Sie sah sich auf dem Dachboden nach irgendeiner Möglichkeit um, ihre Notdurft zu verrichten.
    Da, ein Nachttopf. Es war ein Produkt der ungarischen Porzellanfabrik Herend und genauso unbezahlbar wie die Entsprechungen in den unteren Räumen, nur war dieses Exemplar schadhaft – es hatte einen haarfeinen Sprung entlang der Goldkante – und deshalb auf den dunklen Dachboden verbannt. Kathleen griff in ihrer Verzweiflung danach. Ihr Körper ließ sie im Stich, ihr blieb keine Wahl. Das Bedürfnis, sich zu erleichtern, war so groß, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten.
    Auch das noch, aber es war ja kein Wunder, dass sie in Tränen ausbrach. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Wenn James in diesem Sommer nur gekommen wäre, um sie zu holen. Sie hatte die Hoffnung im Grunde ihres Herzens nie aufgegeben. Doch nun war alles verloren. Sie war nahe daran, den Verstand zu verlieren in ihrem Unterschlupf, der sich in einem Verschlag des Dachgeschosses einer Familie befand, die Millionen besaß, aber keinen Funken Verstand oder Liebe. Sie zitterte, ihre Zähne klapperten. Sie zog die Hosen runter, hockte sich auf den abgeblätterten ungarischen Nachttopf, dachte an James und begann wieder zu weinen.
    In diesem Augenblick knarrten die Bodendielen.
    Großer Gott, wer konnte das sein? Die unverhoffte Störung gab ihr den Rest. Unfähig, sich vom Fleck zu rühren, gelang es ihr nicht, jeden Laut zu unterdrücken, und sie schluchzte auf. Das Spiel war aus. Vermutlich war es Pierce, der ihr einen letzten Besuch abstatten wollte, bevor er sich auf den Weg nach New York begab. Er hatte sie nicht in ihrem Zimmer vorgefunden und war dem Geräusch des Wasserlassens gefolgt. Sie biss sich auf die Lippe, während die Tränen weiter über ihr Gesicht liefen.
    »Kathleen?«, hörte sie jemanden flüstern. Es war eine Frauenstimme.
    Eine Welle der Erleichterung überkam sie. Es war nicht Pierce. Doch sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Vielleicht war es Louise oder Vivian, oder Schwester Anastasia, oder die Jungfrau Maria, eine Seelenverwandte, die gekommen war, um sie zu erretten, sie zu James zu bringen.
    »Hilf mir«, schluchzte sie. »Heilige Muttergottes, hilf mir …«
    O Gott, ihr Gebet war erhört worden.
    Eine junge Frau steckte den Kopf durch die zersplitterte grüne Tür und quetschte sich unter den Holzlatten durch, die Kathleen an Ort und Stelle gelassen hatte, um die Familie zu täuschen. Sie hatte braune Haare, wache, einfühlsame Augen und trug die schwarz-weiße Tracht eines Zimmermädchens oder einer Nonne.
    »Kathleen Murphy?« Ihre Blicke trafen sich.
    Kathleen nickte benommen, und in diesem Moment sah sie an der Miene der jungen Frau, dass sie die Situation erfasst hatte.
    »Oh, tut mir leid.« Sie drehte ihr rasch den Rücken zu, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen.
    »Mach bitte die Tür hinter dir zu«, flüsterte Kathleen.
    Die braunhaarige junge Frau

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