Eine franzoesische Affaere
wichtiger. Sie vertraute ihm blind,
selbst wenn er dem Impuls nachgeben sollte, sie zu beißen. Er würde ihr niemals
Schaden zufügen.
"Ja, die
sind immer so groß."
Malcolm verkniff sich ein amüsiertes Auflachen und grinste nur mit gebleckten
Zähnen vor sich hin. Mit diesen Beißern konnte man so gut wie alles tun. Ob nun
Dosen öffnen oder Kinder erschrecken. Küssen natürlich nicht ausgenommen. Aber
er durfte nicht einfach über sie herfallen und davon ausgehen, dass es ihr
gefiel, damit geküsst zu werden. Immerhin konnte es doch mal passieren, dass er
sie damit piekte oder riss. Besonders wenn sie etwas enthemmter miteinander
umgingen.
Er könnte den noch gerade auf ihrer rechten Schulter sitzenden Träger damit
zerteilen, an ihrem zarten Fleisch knabbern oder sanften Druck darauf ausüben,
damit sie ein Gespür dafür bekam, wie scharf die Zähne wirklich waren. Einen
Biss würde sie erst dann merken, wenn es zu spät war. Wenn seine Zähne bereits
tief in ihr verankert waren und er damit begann, das Kostbarste von ihr in
Besitz zu nehmen. Ihr Leben, ihre Energie, ihr Blut. Erst das Saugen an der
Wunde würde sie Schmerzen spüren lassen. Das davor war, wenn man nicht zögerte,
halb so wild.
Trotzdem durfte er sich nicht dazu verleiten lassen. Ihr Duft und ihre
Bereitwilligkeit, sich ihm hinzugeben, mochten für sich sprechen, doch sie war
immer noch sterblich. Ihr Traum war also reine Wunschvorstellung gewesen oder
die Verarbeitung der Erlebnisse mit ihm.
"Ich
darf dich nicht beißen, Sid. Die Wunden würden weiterbluten und sie bräuchten
genauso lange, um zu heilen wie das bei gewöhnlichen Verletzungen der Fall
ist."
Er strich ihr entschuldigend über die gerötete Wange, nahm ihre Hände von
seinem Gesicht und gab ihr einen schnellen Kuss auf den stets widersprechenden
Mund. Das mit den Breeds würde er ihr später erklären. Die Unterhaltung mit ihr
und die schüchtern gestellten Fragen beruhigten ihn. Seine Eckzähne schrumpften
für sie deutlich sichtbar in Zeitlupentempo zurück auf Normalmaß. Er hatte sie
ja gewarnt, dass diese Vampirsache nur halb so romantisch war, wie sie in
manchem Büchern und Filmen dargestellt wurde. Unter Ihresgleichen mochte noch
so etwas wie ein Hauch Sentimentalität aufkommen, wenn man die Soulmates mit
einbezog, aber ein Vampir und ein Mensch hatten sich vorzusehen. Sonst endete
es unter Umständen für einen der beiden tödlich.
"Ich
werde zuhause etwas trinken und keine Sorge, es ist nicht eklig." Malcolm
küsste Sid wieder und schob seine Hände über den Stoff des Kleides ihre
Schenkel entlang ihren Rücken empor.
"Du
darfst mir sogar dabei zusehen.", verkündete er mit einem tiefen,
verheißungsvollen Blick in ihre dunklen Augen, der ihr mehr versprach, als es
letztendlich zu sehen geben würde.
Sie konnte jetzt ihre Fantasie schweifen lassen und sich vorstellen, ob er
irgendwo in seinem Apartment eine versteckte Kammer mit halbnackten weiblichen
Blutsklaven unterhielt, oder ob er sie doch noch beißen würde. Die Tatsache,
dass er künstliches Blut aus Plastikbeuteln schlürfte, wäre nur ein weiterer
Stimmungskiller gewesen. Viele ihrer Vorstellungen würden sich zu einem
harmlosen, wissenschaftlichen Nichts auflösen, aber manche würden so gruselig
oder so fantastisch sein, dass sie ihre Vorstellungskraft wahrscheinlich um
Längen schlugen.
Sie konnte jederzeit aus dieser beginnenden Beziehung aussteigen. Er würde sie
weiterhin niemals gegen ihren Willen festhalten oder ihr Dinge aufzwingen, die
sie nicht mochte oder wollte. Das Wichtigste jedoch war, dass er mit ihr
gemeinsam die Grenzen herausfand und sich selbst nicht zu weit vorpreschen ließ
und sei das alles hier noch so aufregend und neu für Sid, die ihn mit ihrer
Begeisterung und Neugier nur zu leicht anstecken konnte.
Zur selben
Zeit in Europa; London, Grosvenor Square
Mina Harker
war dem telepathischen Ruf gefolgt, der sie ereilt hatte, kaum dass sie die
Augen nach Sonnenuntergang aufgeschlagen hatte. Sie war seit ein paar Tagen
zurück aus den Staaten und hatte sich schon über das beständige Schweigen aus
einer gewissen Richtung gewundert. Das war volle Absicht, wollte sie meinen.
Das Schweigen seiner Lordschaft sprach oft mehr aus tausend gesprochene Worte.
Sie folgte dem losen Faden, den er für sie gesponnen hatte und materialisierte
sich im hochherrschaftlichen Wohnsitz des vermeintlich elften Marquess of
Bedford Haven. Sie landete direkt vor einer verschlossenen Tür und
Weitere Kostenlose Bücher