Eine Frau - Ein Bus
einmal auslachen zu lassen, insbesondere da ich diese Reaktion ohnehin befürchtete, sobald ich aus diesem Bus stieg.
Ich blieb angezogen. Die Frau im Büro war es nicht.
(Sollte ich aus irgendeinem Grund nicht mehr von zu Hause aus arbeiten, wäre das mein Traumjob, denn ich müsste dafür zwar das Haus verlassen, könnte mir das Anziehen aber trotzdem sparen.) Sie erklärte uns, wo wir parken konnten und dass der Besitzer später käme, um uns herumzuführen.
Der Campingplatz selbst befindet sich am Ende einer langen gewundenen Straße, ist auf einer Fläche von fünfundfünfzig Hektar vor einem baumbestandenen Hügel angelegt und bietet einen Ausblick auf das Tal und die Umgebung. Es gibt etwa zweihundert Mitglieder, rund die Hälfte davon Dauercamper, der Rest setzt sich aus Wochenendcampern und rund fünfzig bis hundert Besuchern wie uns zusammen, die irgendwann im Sommer vorbeikommen und in der Handvoll Hütten und ihren Wohnmobilen untergebracht sind. Kaum hatten wir geparkt, sahen wir den Eigentümer auch schon auf uns zukommen. Er war in den Vierzigern und bis auf ein offenes Arbeitshemd als Schutz vor der Sonne (und Turnschuhe, wie ich erfreut feststellte) nackt. Wir wechselten eilig die Kleidung (besser gesagt, entledigten uns ihrer) und gingen hinaus, um ihn zu begrüßen.
Schon bald sollte ich feststellen, dass meine Bedenken überflüssig waren. In einem Nudistenpark geht es grundsätzlich sehr entspannt zu. Kein Macho-Gehabe, keine Vorspiegelung falscher Tatsachen, kein Getue. Jeder sieht den anderen, wie er ist (ganz besonders, wie wir später noch feststellen sollten, beim Nackt-Karaoke).
Am ersten Tag lagen wir am Pool, lasen, entspannten uns und lernten einige der Einheimischen kennen. (Gemurmel à la »In deinen oder meinen Bus« gab es nicht.) Wie üblich, wenn ich einen Anruf mit der Bitte bekam, einen Fall zu
begutachten, sagte ich zu. Ich hatte bereits in meinem Blog veröffentlicht, dass wir auf einem Nudisten-Campingplatz abgestiegen waren, deshalb fragte Alison, nachdem wir den Fall besprochen hatten, im Flüsterton: »Und bist du jetzt gerade nackt?«
»Ja.«
»Du machst Witze.«
»Nein. Ich bin nackt. Tim ist nackt. Bill, Sue und Cameron sind nackt …«
»Meine Güte.«
In Boulder fand ich die Vorstellung toll, dass die Ärzte, mit denen ich zu tun hatte, wahrscheinlich glaubten, ich säße im Businesskostüm in irgendeinem Büro, statt im Schlafanzug mit der Katze auf dem Schoß zu Hause. (Und wenn Morty in Plauderlaune war, erklärte ich das üblicherweise mit: »Oh, jemand hat sein Baby zur Arbeit mitgebracht.«) Die Olive Dell Ranch hob diesen Kitzel auf eine völlig neue Ebene.
An unserem ersten Abend begann Tim, sämtliche Vorhänge zuzuziehen. Ich fragte ihn, warum, schließlich waren wir den ganzen Tag über im Adamskostüm gewesen. Er erklärte mir, er wolle anfangen zu kochen. Um niemandes Gefühle zu verletzen, würde er aus Gründen seiner eigenen Sicherheit etwas anziehen.
Natürlich mussten wir uns beide anziehen, um unsere Tagesausflüge zum Joshua Tree National Park und nach Palm Springs zu machen. Und mit jedem Mal während unseres wochenlangen Aufenthalts wuchs unser Widerstreben. Das Nudistenresort war der freundlichste Campingplatz, den wir je besucht haben. (Außerdem war er ziemlich preiswert, obwohl wir die Einsparung durch den erhöhten Bedarf an Sonnencreme wieder wettmachten.)
Seit seiner Gründung 1952 befand er sich im Besitz der zweiten Generation einer Familie und zeichnete sich vor allem durch seine entspannte Atmosphäre aus. Das Betreiberehepaar, Bobby und Becky, war in Nudistenfamilien aufgewachsen und zog nun seine beiden Kinder hier groß. Bobby, der auch als Koch dort arbeitet (und lediglich mit einer Schürze bekleidet in der Küche steht), hat mir das Rezept für den tollsten Tunfischsalat gegeben, den ich je gegessen habe. Aber wie auf jedem Campingplatz auf der Welt gibt es auch hier Exzentriker. Unser Favorit war der Hausmeister, der bis auf seinen Werkzeuggürtel nackt herumlief. Ein hochinteressanter Effekt, denn wann immer er sich umdrehte, musste ich mir den Ausruf »Hey! Ihr Ding da fällt gleich …« verkneifen. Hoppla.
Die These »Sei einfach, was du bist« verstärkte meine neu entdeckte Freiheit, auch ohne Designer-Label existieren zu können. Für Tim untermauerte es nur seinen Entschluss, der ihn überhaupt erst auf die Idee zu dieser Bus-Geschichte gebracht hatte: Etwas zu tun, was das Richtige für ihn war (sich ein Jahr
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