Eine Frau - Ein Bus
Auszeit zu nehmen und einen Teil davon, wie sich nun zeigte, nackt zu verbringen), im Gegensatz dazu, was von ihm erwartet wurde (sich totzuarbeiten, und noch dazu in voller Montur). Dies festigte auch seine Vorstellungen im Hinblick auf seine weitere berufliche Laufbahn nach unserer Rückkehr. So von allem befreit, kam er nicht umhin, all die anderen Dinge, die ihn blockierten, etwas weniger ernst zu nehmen.
(»Wie was, zum Beispiel?«
»Das sage ich dir nicht. Ich will nicht, dass all die Leute von meinen Blockaden erfahren. Es genügt schon, wenn sie wissen, dass ich sie nicht mehr so ernst nehme.«)
Tim und ich haben mehrere Freunde in diesem Teil des Landes. Wir nahmen uns die Zeit, jeden Einzelnen von ihnen zu besuchen. Zwar hatten wir einige seit Jahren nicht mehr gesehen und nur sporadisch telefoniert, trotzdem standen wir uns noch sehr nahe. Und bei jedem von ihnen war es, als hätten wir uns gestern das letzte Mal gesehen.
Alene ist eine meiner besten Freundinnen aus der Praktikantenzeit. Wir sind so verschieden, wie man nur sein kann: Sie hatte nie Interesse, eine Privatpraxis zu eröffnen. Sie hat keine Geduld mit Patienten mit »Problemen«. Sie wollte irgendwo hingehen, wo sie am dringendsten gebraucht wurde, die Kränkesten unter den Kranken behandeln, und so wurde sie der erste weibliche Psychiater in der Todeszelle von San Quentin. Mittlerweile leitet sie die Psychiatrie im Pelican Bay State Prison, wo einige der gefährlichsten Straftäter Kaliforniens einsitzen. Und wir könnten auch heute noch kaum verschiedener sein: Ich trage Designerklamotten. Sie eine schnittsichere Weste. Ich lasse mir meine Sachen von Mr. Lai schneidern. Sie wird in der Waffenkammer ausgestattet. Wenn ich über einen neuen Vertrag verhandle, findet das Gespräch am Telefon in der Sicherheit meiner eigenen vier Wände statt. Bei ihren Vorstellungsgesprächen muss sie ein Formular unterschreiben, in dem sie die »Keine Geiseln«-Politik des Hauses akzeptiert (aber erst nachdem sie das für alle aufschlussreiche »KEINE WARNSCHÜSSE«-Schild passiert hat). Sie hat mich immer für mein beschütztes Leben ausgelacht. »Ich danke Gott dafür«, habe ich immer erwidert. Nach der Bus-Geschichte hält sie mein Leben garantiert für nicht mehr ganz so beschützt. Andererseits vielleicht auch nicht.
Wir verbrachten einen Nachmittag mit Alene und ihrer
Partnerin Debra in ihrem hübschen Heim in der Nähe von San Luis Obispo. Als Hundemensch (der unter einer Katzenallergie leidet, sich an unsere Tiere jedoch im Lauf der Jahre gewöhnt hat), konnte Tim nicht nachvollziehen, wie man mit acht Katzen leben konnte (dabei hatten sie früher auch einen sehr gelehrigen Terrier). Ich informierte ihn unverzüglich, dass ich, würde ich allein leben, wahrscheinlich doppelt so viele hätte. Er war weniger beeindruckt als entsetzt. Debra, stets die liebevolle Gastgeberin, legte Handtücher für uns hin und bot an, wir könnten ihre Dusche und andere Indoor-Sanitäranlagen benutzen, in der Annahme, dass ein einjähriges Leben im Bus gleichbedeutend damit war, die Körperhygiene schleifen zu lassen. Wie gesagt, Alene und ich waren diejenigen, die sich nahestanden.
Ein Stück weiter die Küste hinauf übernachteten wir auf einem Campingplatz in der Nähe des Marina Dunes State Beach, einem reizenden, abgelegenen, ruhigen Areal auf der Halbinsel Monterey, wo es einen Riesenspaß machte, ein wenig herumzuschlendern, besonders mit der Kamera in der einen und dem Ehemann (oder der Hundeleine) in der anderen Hand.
Joanne, eine weitere Freundin aus meiner Praktikumszeit, lebte in der Nähe, also luden wir sie zu einem von Tim zubereiteten Festmahl ein. Wie bereits erwähnt, ist Tim mir mehr als dankbar, dass ich regelmäßig mit ihr in Kontakt stehe, weil ihr Mangel an Glück mit Männern mich veranlasst, meinen eigenen Ehemann umso mehr zu schätzen. Obwohl sie im Moment mit niemandem zusammen war (so dass es, sehr zu Tims Leidwesen, keine neuen Horrorgeschichten zu erzählen gab), freuten wir uns beide sehr, sie wiederzusehen.
Wir besuchten nicht nur alte Freunde, sondern auch einen neuen. Es ist schon seltsam, wie manche Menschen in unser Leben treten. Ich bin John vor Jahren »begegnet«, als ich ihn engagiert habe, eines meiner Drehbücher unter die Lupe zu nehmen. Ich hatte seinen Namen aus einer Zeitschrift und kein allzu gutes Gefühl bei der Sache gehabt, doch es hatte sich als unglaublich wertvolle Erfahrung entpuppt. Ich hatte ihm immer
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