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Eine Frau - Ein Bus

Titel: Eine Frau - Ein Bus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doreen Orion
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Campingplatz lag direkt am Wasser, gegenüber vom Dock. Als wir uns anmeldeten, erwähnte der Manager, er sehe jeden Morgen bei Sonnenaufgang Adler kreisen, deshalb beschloss Tim spontan, am nächsten Morgen früh aufzustehen. Da die Sonne in diesem Teil der Welt im Sommer um drei Uhr früh aufgeht, lag auf der Hand, dass mein
Mann allein sein würde. Am nächsten Morgen berichtete mir ein Tim mit verschlafenen Augen, er habe, obwohl er rein theoretisch rechtzeitig aufgestanden sei, keinen der majestätischen Raubvögel zu Gesicht bekommen. An diesem Abend jedoch entdeckten wir einen auf dem Baum direkt neben unserem Bus, was meine lebenslange Theorie untermauerte, dass es sich niemals auszahlt, sich im Morgengrauen aus dem Bett zu schwingen. Ab unserem zweiten Tag in Ketchikan hatte es den Anschein, als sähen wir an jeder Ecke einen der Vögel sitzen, selbst auf den Felsen vor dem Safeway hatten sich ein paar eingefunden (die Filiale befindet sich direkt am Ufer, so dass man von der Bar aus, wo es Salat, Sandwiches und chinesische Küche gibt, aufs Wasser sehen kann). Trotzdem wurden wir den Anblick nicht leid, sondern hatten eher Mitleid mit all den anderen Vögeln.
    Am diesem zweiten Tag in Alaska unternahmen wir unsere erste Wanderung. Ja, Sie haben richtig gelesen, die »erste«. Da wir schon mal hier waren, könnten wir es ebenso gut in Angriff nehmen, fanden wir. Ein zusätzlicher Vorteil war, dass ich auf diese Weise mein Quantum für die nächsten zehn Jahre erfüllen würde. Doch in Wahrheit war es Tim, der den Fehler beging, mich dazu zu ermutigen. Und er machte seinen Fehler nur noch schlimmer, indem er den Perseverance Lake Trail auswählte. Natürlich war er begeistert von diesem Weg (einfach zufriedenzustellen zu sein hat eindeutig Vorteile), ich dagegen fand es sterbenslangweilig, die endlosen Stufen zu einem Plankenweg erklimmen zu müssen, nur um am Ende einen Ausblick auf einen mittelmäßigen See zu bekommen, obwohl der Regenwald, den wir durchquerten, ganz nett war. Aber ehrlich. Meile um endlose Meile - alle drei - war es im Prinzip
dasselbe. Insofern war der Name Perseverance, sprich Beharrlichkeit, durchaus passend. Selbst die Tatsache, dass ich die Kamera bei der Hand hatte, machte es nicht spannender. Genug war genug.
    Trotzdem inspirierte mich der Marsch, ein Wanderweg-Bewertungssystem für die bewegungsfaulen Ehefrauen von Outdoor-Freaks ins Leben zu rufen, mit dem Ziel, die Couchies unter uns wissen zu lassen, ob es der Mühe wert war oder nicht. Statt Kriterien wie Einfach, Mittel und Schwer wäre das CÄ (das Couchie-Äquivalent): »Akzeptabel«, »Was willst du von mir?« und »Wieso sollte ich mir das antun?« Der erste Eintrag, der Perseverance Lake Trail in Ketchikan, fiele definitiv in die Kategorie »Wieso sollte ich mir das antun?« Nicht nur dass der Wanderweg dringend eine Rolltreppe benötigt (ich meine, Stufen gibt es ja schon, also ist es nicht so, dass man etwas völlig Fremdartiges in eine superjungfräuliche Gegend pflanzen würde), sondern auch ein paar Wasserfälle hier und da wären hilfreich. Wir konnten zwar welche hören, aber eben nicht sehen. Vielleicht sollte in meiner Beurteilung auch stehen, dass Rodungsarbeiten im Wald dringend notwendig wären.
    Um es noch schlimmer zu machen, hatte ich während der gesamten Wanderung über Angst, wir könnten einem Bären in die Arme laufen. Tim versuchte mich zu beruhigen und meinte, er glaube nicht, dass Bären sich gern in diesem dichten Unterholz aufhielten.
    »Oh toll, dann warten sie eben alle am See auf uns. Eine richtige Bärenkonferenz.«
    »Genau«, stimmte Tim zu. »Und man hat ihnen versprochen, dass eine reiche behütete jüdische Prinzessin die Eröffnungsrede hält.« Wir ließen uns vom einzigen anderen Wanderer, einem jungen Mann, überholen. »Gut. Jetzt
kann er die Bären erschrecken«, flüsterte ich Tim zu. Ich weiß, ich bin ein guter Mensch.
    Am nächsten Tag wanderte Tim mit unserem Pudel über den fünf Meilen langen, nahezu vertikalen Deer Mountain Trail - nicht dass sie mich nicht auch dazu eingeladen hätten. Trotz der spektakulären Aussicht auf die Stadt und den Hafen, von der er mir bei seiner Rückkehr berichtete, und dem breiten Grinsen auf ihren Gesichtern, war ich beim Anblick der beiden schlammverkrusteten, völlig geschafften Gestalten froh, auf dem Campingplatz geblieben zu sein und mich mit einem guten Buch ans Dock gesetzt zu haben.
    Mit einer durchschnittlichen Niederschlagszahl von

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