Eine Frau - Ein Bus
Sandwiches verputzten, redeten wir, spielten mit Miles Ball und sahen dem vorbeirauschenden Verkehr zu. Gerade als wir uns wieder auf den Weg machen wollten, rülpste Tim und ließ gleich darauf noch einen fahren.
»Alle Systeme in Betrieb«, verkündete er lachend. Das ist mein Timmy.
Der Rest der Fahrt zum nächsten Campingplatz verlief ohne Zwischenfälle. Tim schaffte es sogar, den Bus ohne Probleme durch den heftigen Stoßverkehr zu navigieren, auch wenn er mir am Ende (was sich nicht allzu günstig auf meine Phobie auswirkte) seine zitternden Hände zeigte. Er erzählte mir, wie er sich während seiner Unterrichtsstunden mit einer Fahrlehrerin durch dichten Verkehr auf dem Freeway hatte kämpfen müssen. Die Fahrlehrerin hatte ihn angewiesen, an der nächsten Ausfahrt links abzubiegen, doch Tim hatte sie verfehlt. Sie meinte,
das sei schon recht gut gewesen, aber »manchmal müssen Sie eben die Spur wechseln«. Und genau diese Aussage, die wieder und wieder in seinem Kopf nachhallte, half ihm nun, sich durch den Verkehr zu lavieren. (Ebenso wie die Tatsache, dass es oft genügte, wenn andere Autos ihn nicht hereinlassen wollten, einfach nach rechts oder links zu ziehen, um einen wahrhaft göttlichen Effekt auszulösen, der an die Teilung des Roten Meers erinnerte.)
Als wir an diesem Abend auf einen Campingplatz in der Wüste fuhren, schlugen wir begeistert ab und riefen: »Wieder eine Etappe ohne Katastrophe!« Doch wir hatten uns zu früh gefreut. Es herrschten fast vierzig Grad im Schatten, und als wir uns ans Stromnetz anschlossen, kam nichts. Wir versuchten, den Generator in Gang zu bringen, doch der war nach der langen Fahrt überhitzt. Und wir auch. Dasselbe galt für Miles, Morty und Shula. Der Campingplatz-Techniker kam vorbei und meinte, bei sämtlichen Wohnmobilen sei der Strom ausgefallen, sobald wir unseren Bus angeschlossen hätten. Wir hatten zwar keine Ahnung, was er tat, aber nach einer halben Stunde lief alles. Er kam zurück und versicherte uns, er behalte das Problem im Auge. Gut. Denn die Stromversorgung hielt gerade einmal fünf Minuten an.
Ich rief im Büro an und veranlasste, dass wir zu einem anderen Platz fuhren. Als wir aufbrachen, kamen alle aus ihren Gefährten und bedachten uns mit denselben Blicken, denen Fettleibige beim Einsteigen ins Flugzeug ausgesetzt sind. Zum Glück konnten wir uns ans Netz anschließen, ohne dass etwas passierte.
Schon bald entdeckten wir ein weiteres hitzebedingtes Problem: Der Wohnmobilplatz war nahezu vollständig asphaltiert, was es Miles unmöglich machte, darauf zu gehen.
Also musste Tim unseren Pudel aus dem Bus heben, in den Jeep setzen und mit ihm zu der ausgewiesenen Rasenfläche fahren, wann immer Gassizeit war. Offen gestanden genoss Miles dieses VIP-Treatment in vollen Zügen. Was ich verstehen konnte. Ich versuchte, Tim dazu zu bewegen, auch mich zum Jeep zu tragen, doch heutzutage ist es schwer, williges, livriertes Personal zu finden.
Am nächsten Morgen fuhren wir zu Tims Vater in Arkansas - Van Buren, um genau zu sein -, dem letzten Stopp auf unserer dreiwöchigen Probetour. Er und sein Dad hatten immer ihre Probleme miteinander gehabt: Tim hatte sich nach der Scheidung seiner Eltern stets von ihm im Stich gelassen gefühlt. Jahrzehntelang hatten er und sein Vater genau dreimal im Jahr telefoniert: zu ihren Geburtstagen und an Weihnachten, mehr nicht. Mit einem seiner Halbbrüder hatte Tim eine ähnliche Beziehung, nur dass sie sogar noch drei Telefonate weniger im Jahr führten.
Es war mir schon immer ein Rätsel, dass man den Kontakt derart abreißen lassen konnte, egal wie wütend man auf denjenigen sein mochte, und schrieb es am Ende den kulturellen Unterschieden zu: Offensichtlich versucht man, in weißen protestantischen Familien den Kontakt auf ein Minimum zu reduzieren, wenn man sich nicht leiden kann. In jüdischen Familien hingegen zieht man ins Haus nebenan ein und macht demjenigen das Leben so schwer, wie man nur kann.
Als Bob älter wurde, versuchte er zwar, das Verhältnis zu seinem Jüngsten zu verbessern, aber Tim kam nach wie vor nicht sonderlich gut mit der Situation zurecht. Der hohe Arbeitsanfall wurde zur praktischen Entschuldigung für seltene Besuche, die auch Bob für sich vorbrachte. Nachdem Bob vor einigen Jahren an Krebs erkrankt war, hatte
Tim seine Bemühungen um seinen Vater verstärkt, auch wenn die Arbeit noch immer ein Hindernis darstellte, da sie den Großteil seiner Zeit in Anspruch nahm. Doch im
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