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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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verweilen.
    Wenn sie und Ilan sich so unterhielten, spürten sie beide diese Kraftdes strömenden Lebens, die ihre beiden kleinen Jungs der Zukunft entgegentrug. Ein ums andere Mal staunten sie über das enge Verhältnis der beiden – die haben irgendein Geheimnis, sagt sie zu Avram, und ich sage dir, das haben sie bis heute. Ohne dass sie es jemals ausgesprochen hätten, spürten Ilan und sie, dass es zwischen Adam und Ofer etwas gab, was vielleicht der Dreh- und Angelpunkt ihrer ganzen Familie war, wohl der stärkste und vitalste aller sichtbaren und verborgenen Dreh- und Angelpunkte, um die die vier miteinander kreisten. Avram lauscht und mahnt sich im Stillen: Merk dir das, merk dir alles, und manchmal steckten Ora und Ilan unterwegs die Köpfe zusammen, schmiegten sich aneinander und fassten sich ein Herz zu raten – vorsichtig, denn alles war zerbrechlich, wer wusste das besser als sie –, was die Zukunft ihren Söhnen bringen würde, wohin ihr Leben sie lenken würde, und sie fragten sich, ob Adam und Ofer dann immer noch in der Lage sein würden, ihr so seltenes Geheimnis gut zu leben.
    In den Abendstunden sitzt sie allein in Ilans Arbeitszimmer, starrt auf die Regale voller Gesetzbücher und ist nicht in der Lage, irgendetwas zu tun. In der letzten Woche hat Adam noch zwei Termine bei einer älteren, sehr erfahrenen, ruhigen und angenehmen Psychologin gehabt. Auch dort hat er geschwiegen, auch vor ihr seine Bewegungen versteckt, aber sie klang nicht besorgt, sie hatte Ora und Ilan zu sich in die Praxis bestellt und ihnen erklärt, solche Symptome seien in diesem Alter, vor dem Einsetzen der körperlichen Pubertät, nicht selten, und etwas in Adams Blick gebe ihr die Sicherheit, dass er im Kern ein starker Junge sei, und nur um sicherzugehen und um sie beide zu beruhigen, überweise sie ihn zu einer neurologischen Untersuchung bei dem Fachmann auf diesem Gebiet. Doch war der Termin erst in drei Wochen, Ilan ließ seine Kontakte spielen, um ihn vorzuverlegen, und in der Zwischenzeit glaubte Ora, verrückt zu werden.
    Adam und Ofer sitzen in der Küche und führen ein Gespräch über die verschiedenen Arten von Nashörnern, und sie sendet, wie es ihre Art ist, alle paar Sekunden ihren mütterlichen Radar dorthin und wertet ihn, ohne sich dessen bewusst zu sein, laufend aus; erst nach einer Weile fällt ihr auf, dass sie schon lange nicht mehr so eine Art von Gespräch zwischen ihnen gehört hat: Adam klingt gelassener. Er hilft Ofer beim Malen eines Bildes für die »Freizeit Kreatives Schaffen«, ander Ofer in diesen Sommerferien teilnimmt. Er erfindet für ihn ein Wassernashorn mit zwei großen Flossen, und auch ein geschnitztes Nashorn, und ein geschnutztes, so ein aufgeschnutzeltes Nashorn, das nicht unter Tierschutz steht – er diktiert Ofer die Worte –, so eines, das stundenlang dasitzt und sich selbst im Wasser anschaut, und an die Seite malst du auch noch ein verhutzeltes Nashorn, sie kugeln sich vor Lachen, aber das verhutzelte ist so verhutzelt, dass man es nicht mehr sieht, erklärt Adam. Dann mal ich bloß seine Fußspuren, jubelt Ofer, und Adam: Komm, ich mal sie dir. Und bei ihrem Gespräch vollführt Adam alle seine Zeremonien, sie hört seine kurzen Atemstöße, das Schnalzen seiner Zunge, wie er kurz den Wasserhahn zum Händewaschen aufdreht, und Ora versinkt wieder in sich selbst, doch plötzlich fährt sie hoch und hört Ofer, der mit seinem dünnen Stimmchen ganz ruhig fragt: Warum machst du das?
    Sie weiß nicht, wovon Ofer spricht.
    Was denn, fragt Adam misstrauisch.
    Das mit dem Händewaschen und so.
    So halt. Weil ich Lust dazu hab.
    Bist du denn dreckig?
    Ja. Nein – Mensch, nerv mich nicht.
    Aber wovon? fragt Ofer weiter, mit dieser gelassenen, ganz klaren, ausgeglichenen und sachlichen Stimme, die sie so gerne hätte, besonders in solchen Momenten.
    Was wovon?
    Wovon bist du dreckig?
    Keine Ahnung. Reicht das jetzt?
    Sag mir nur noch eins.
    Du nervst heut aber, also was?
    Wenn du dich so wäschst – bist du danach dann wieder sauber?
    Ein bisschen, ja. Keine Ahnung. Aber jetzt halt endlich die Klappe!
    Schweigen. Ora wagt nicht, sich zu bewegen, fragt sich, wie Ofer sich all die Wochen zusammengerissen und Adam keine Fragen gestellt hat. Etwas in seiner Stimme, in seiner Beharrlichkeit, sagt ihr, er hat geplant, was er fragen würde, er hat die Situation genau gewählt, Adams Stimmung dafür vielleicht sorgfältig vorbereitet.
    Adam …
    Was jetzt noch?
    Lässt du mich auch

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