Eine Frau flieht vor einer Nachricht
sie ihm anvertraut.
Heute darf ich gar keinen? fragt Adam eines Morgens beim Frühstück ganz offen, in ihrer Gegenwart, und Ofer denkt nach und beschließt: Heute mach nur ich. Aber weißt du, was?, so hartherzig ist er nun doch nicht, den mit dem Fingerumbiegen, den kriegst du.
Und alle anderen machst du? fragt Adam, seine kindliche und ergebene Stimme schockiert sie, und Ofer sagt: Ja.
Aber erinnerst du dich auch?
Die ganze Zeit.
Bist du sicher, Ofer?
Bisher hab ich noch keinen verpasst. Komm, wir gehn rüber.
Im Nu ist sie wieder auf Lauschposten an der geschlossenen Tür. An diese Haltung, erklärt sie Avram, erinnert sich ihr Körper noch ganz genau aus der Kindheit, als sie aus ihrem Zimmer ihre Eltern belauschte und durch die geschlossene Tür hindurch versuchte, Stimmen, Gelächter oder Andeutungen mitzubekommen. Lebenszeichen. Seitdem sind vierzig Jahre vergangen, verkündet der Richter in ihrem Kopf, und was haben Sie, verehrte Frau, in diesen vierzig Jahren gemacht? Die Seiten der Tür gewechselt, Hochwürden.
Der Polizist soll Speed heißen, sagt Ofer. Und wie heißt der Dieb?fragt Adam. Den nennen wir Taifun. Okay, sagt Adam. Speed fährt Motorrad und hat ein Luftkissenboot, sagt Ofer und zeichnet seine Gestalt. Und der Dieb? fragt Adam schwach. Der Dieb wird langes Haar haben und auf seinem Unterhemd einen schwarzen Stern, und er hat eine Panzerfaust und einen Laserbohrer. Okay, sagt Adam. Ora greift sich an den Hals. Das ist ein uraltes Spiel, das haben sie vor zwei oder drei Jahren gespielt, da haben sie auf dem Teppich gelegen und Mannschaften von Polizisten und von Dieben aufgestellt, von Orks und Goblins. Nur dass damals Adam der Erfinder war – und Ofer der eifrig nickende Schüler.
Hey, sagt Ofer, der mit den Fingern ist heute aber bei mir.
Hab ich den mit den Finger gemacht?
Hast du es nicht gemerkt?
Na, dann mach du eben.
Warte, das gibt eine Strafe, weil du meinen gemacht hast.
Was für eine Strafe?
Die Strafe ist, überlegt Ofer lange, dass ich dir auch den mit den Augen wegnehme, wenn du sie so fest zusammenkneifst und dann wieder aufmachst.
Den muss ich aber machen, flüstert Adam.
Ich hab ihn dir aber schon weggenommen.
Dann hab ich gar nichts mehr.
Du hast noch den mit den Armen und Beinen, und du pustest noch.
Langes Schweigen. Danach spielt Ofer weiter, als wär nichts gewesen. Jetzt bring ich einen Polizisten mit einer Eisenfaust, der heißt Mac Bumm Bumm, wenn der sein Hemd aufmacht …
Für wie viele Tage nimmst du mir den weg? fragt Adam matt.
Drei Tage, heute nicht mitgezählt.
Dann darf ich heute noch?
Nein, heute dürfen wir beide nicht.
Wir beide? Aber wer macht ihn dann?
Niemand. Den gibt es heute einfach nicht.
Geht das denn? fragt Adam traurig.
Was wir festlegen, geht, sagt Ofer und klingt wie der Herrscher des Labyrinths.
Ora sagt zu Avram, sie werde wohl nie wirklich erfahren, was sich in dieser ganzen Zeit hinter der geschlossenen Kinderzimmertür abgespielt hat. Aber was konnte da schon groß passieren? Zwei Jungs, der eine fast dreizehn, der andere neun und ein bisschen, waren in den Sommerferien drei oder vier Wochen lang Tag für Tag zusammen, meist ohne andere Kinder, haben am Computer gesessen oder Tischtennis gespielt und stundenlang geredet, haben Figuren erfunden und manchmal auch zusammen Eier in Tomatensoße oder Nudeln gekocht, aber währenddessen – frag mich nicht, wie – hat der eine den anderen gerettet.
Im Wald in Bar’am treffe ich einen Mönch. Zweiundsechzig, groß und beeindruckend (ein bisschen wie Sean Connery früher). Er sagte, von welchem Orden, aber ich hab es nicht notiert und bin mir jetzt nicht mehr sicher. Sein Hebräisch ist ausgezeichnet, fast ohne Akzent. Er macht nicht den ganzen Israel-Weg, geht hier nur manchmal spazieren, sucht die Einsamkeit, um nachzudenken.
Er war ohne weiteres bereit, auf meine Fragen zu antworten. Ich habe es aufgeschrieben:
»Was ich bereue? Ich habe zwei Kinder. Ja, und die liebe ich sehr. Ich bin aus Cardiff, Wales, da war ich verheiratet, und meine frühere Frau und meine Söhne sind da geblieben. Es ist nicht leicht, aber die Notwendigkeit für mich, im Kloster zu leben, wurde mit der Zeit stärker als die des Familienlebens, und diese beiden Wünsche lassen sich nicht miteinander vereinbaren. Aber so ist mein Leben eben gelaufen, und im Allgemeinen gebe ich mir Mühe, nichts zu bereuen.
Sehnsucht? Ja, vielleicht nach meinen Söhnen. Ich sehe sie einmal im Jahr. Sie sind
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