Eine Frau flieht vor einer Nachricht
mal?
Was soll ich dich lassen?
Dass ich es für dich mache.
Was? Ora spürt, der Bogen von Ofers frechem Wagemut spannt auch ihre Nerven bis zum Äußersten. Sie ist völlig starr, denkt sich, was für ein gefährliches und mutiges Spiel Ofer hier spielt.
Na, so einen … von deinen Dingern.
Nu mach mal halblang, lacht Adam angestrengt, und Ora hört genau seine Verlegenheit, bist du jetzt durchgeknallt?
Bloß einen, was stört’s dich?
Aber warum?
Damit du einen weniger machen musst.
Was?
Hör auf! Du machst mir mein Bild nass!
Was hast du da gesagt?
Wenn ich einen mach, dann musst du einen weniger machen.
Du bist ja verrückt, weißt du das? Hundertprozentig verrückt. Was mischst du dich überhaupt ein …
Das kann dir doch egal sein. Bloß einen, oder wenigstens einen auf Pump.
Welchen?
Das kannst du bestimmen. Den da oder den, oder …
Sie hört, ein Stuhl wird wild zurückgeschoben, schnelle Schritte. Sie stellt sich Adams Tanz um die eigene Achse vor, auf dem Weg zum Wasserhahn, wie seine Blicke jetzt verstört hin und her flitzen.
Adam …
Gleich fängst du eine! Ich warne dich, hör auf!
Langes Schweigen.
Mensch, Adam, was ist. Bloß einen …
Sie hört Schritte und einen Schlag. Schnaufen, Knuffe, Plumpsen. Ein Stuhl fällt um. Halb unterdrücktes Stöhnen. Sie begreift, Ofer zwingt sich, nicht zu schreien, damit sie nicht angerannt kommt und sie trennt und ihm seine Pläne kaputtmacht. Sie steht auf, geht aber nicht hin.
Gibst du auf?
Nur einmal, lass mich.
Nervensäge! kreischt Adam, hast du keine anderen Freunde, du Zwerg? Du Klette!
Nur einmal, das versprech ich dir.
Sie hört Ohrfeigen klatschen, eine, noch eine, und Ofers unterdrücktes Wimmern. Ohne es zu merken, beißt sie sich in die Faust.
Hast du mich jetzt verstanden?
Das kann dir doch egal sein. Bloß einen jedes Mal.
Adam stößt ein hohes, unsicheres Kichern aus.
Ich mach es so, dass du nichts davon merkst, ächzt Ofer.
Adam schnalzt mit der Zunge, bläst sich auf die Handflächen, dreht sich schnell um die eigene Achse. Nein, sagt er zum Schluss leise, ich glaube, ich muss die alle selber machen, bis zuletzt.
Ich mach sie einfach neben dir, Ofer lässt nicht locker
Der Hahn wird geöffnet. Kurzes Spülen, Atemstöße. Stille.
Danach noch einmal der Hahn, jetzt fließt das Wasser etwas länger, andere Atemstöße, stärker und langsamer.
Hast du’s gemacht? Na prima, und jetzt verpiss dich.
Du gibst mir ab jetzt jedes Mal einen, sagt Ofer mit einer Nachdrücklichkeit, die Ora überrascht, und sie sieht, wie er mit ernstem, konzentriertem Gesicht aus der Küche entwischt.
In den folgenden Tagen verbringen Adam und Ofer ihre ganze Zeit zusammen. Sie kommen nur selten aus ihrem Zimmer, keiner weiß, was bei ihnen vorgeht. Wenn Ora an ihrer Tür lauscht, hört sie sie spielen und plappern, wie als sie sieben und vier waren. Überhaupt hat sie den Eindruck, als kehrten die beiden jetzt zusammen in frühere Zeiten zurück, als zöge sie ein sechster Sinn zurück zu der Zeit, als sie beide noch klein waren.
Und eines Morgens, nachdem sie sie geweckt hat und beide sich umgedreht und noch ein bisschen weitergeschlafen haben, geht sie wieder am Kinderzimmer vorbei und hört Adam fragen: Wie viele darf ich heute? und Ofer sagt, drei ich, drei du. Aber welche drei? fragt Adam so leise und ergeben, dass sie seine Stimme für einen Moment nicht erkennt; mit dem Wasser und den Beinen und dem Drehen, die machst du, und ich mach alle andern.
Vielleicht kann ich auch den mit dem Mund machen, flüstert Adam.
Nein, sagt Ofer, den mit dem Mund mach ich.
Aber ich muss doch …
Den Mund hab ich schon für mich genommen. Zu spät.
Sie legt sich beide Hände auf die Schläfen. Ofer hat anscheinend einen Anker in Adam geworfen, sie findet kein anderes Bild dafür. Er ist schon dort, denkt sie, und wirkt mit derselben ruhigen Beharrlichkeit in Adams Tiefen, mit der er seine riesigen Schlösser aus Lego baut oder einen alten Fernsehapparat in seine Bestandteile zerlegt.
Der Weg ist schmal. Es ist ein heißer Morgen, schon um sieben Uhr sticht die Sonne, der Himmel ist unerträglich blau; jedes Mal, wenn der Weg sich auch nur ein bisschen von dem schattigen Flüsschen entfernt, beginnen sie zu schwitzen. Avram läuft vor ihr. An seinem Rucksack hängen Socken und Unterhosen von Ofer, die nach der Wäsche am Abend noch nicht getrocknet sind. Er geht langsam, sieht kaum etwas. Alles zieht ihn nach hinten, zu ihr, zu dem, was
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