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Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Eine Frau flieht vor einer Nachricht

Titel: Eine Frau flieht vor einer Nachricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Grossman
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später – das hatte Ilan Ora in jenem Morgengrauen erzählt, an dem Tag, als Ofer geboren wurde – quälte er sich noch damit, dass er sich vor dem Kommandeur für Avram so geschämt hatte. Als er ihr das sagte, verstand Ora plötzlich, dass Avram mit seinem Reden und Handeln und in all seinen Ausdrucksweisen immer ein undeutliches innerstes Geheimnis vor fremden Augen preisgegeben hatte, das alle peinlich berührte, und sie erinnerte sich an einen Ausspruch Avrams von früher : Ich spreche immer aus, was alle anderen nicht denken. Der Kommandeur stieß seinen angehaltenen Atem aus, richtete sich auf und sagte, okay das ist dieser Typ, den kennen wir schon, wir dachten, er ist inzwischen tot. Er nahm die Kopfhörer ab und fragte: Wer hat dir überhaupt erlaubt, hier eine Horchstation einzurichten? Ilan tat, als hätte er ihn nicht gehört; er bekam kaum noch Luft: Ihr wisst von ihm? Warum hast du mir das nicht gesagt? Der Kommandeur kniff ein Auge zusammen und fragte: Wer bist du überhaupt? Bin ich verpflichtet, dir irgendetwas zu berichten? Ilan wurde bleich, und der Kommandeur bemerkte plötzlich seine Not, änderte den Ton und sagte, hör zu, Junge, beruhige dich, setz dich erstmal wieder hin, wir können im Moment nichts für ihn tun. Ilan gehorchte und setzte sich hin, seine Glieder waren schlapp, der Schweiß lief ihm runter.
    Am ersten und zweiten Tag hat er unseren Funkverkehr verrückt gemacht, sagte der Kommandeur und schaute auf die Uhr. Was hat er gemacht? wollte Ilan wissen. Ach, die ganze Zeit genervt und geschrien, wir sollen kommen und ihn da rausholen. Und er sei auch verwundet, hat einen Arm oder ein Bein verloren. Ehrlich gesagt, seine Beschreibungen waren so anschaulich, dass wir schon gar nicht mehr hingehört haben. Und dann ist er verstummt, wie alle andern auch, und wir dachten, das war’s. Unglaublich, dass er bis jetzt durchgehaltenhat, aber ihn da rauszuholen, das kannst du vergessen, das musst du dir aus dem Kopf schlagen. Wie bitte? flüsterte Ilan. Den da, sagte der Kommandeur und zeigte mit dem Rücken auf das Gerät, aus dem wieder Avrams Stimme drang, jetzt sang er merkwürdig heiter und trompetete Duke Ellingtons Take the A-train .
    Der Kommandeur wollte zurück in den Bunker, doch Ilan hielt ihn am Arm und fragte, ich versteh nicht, was heißt, das geht nicht? Das ist einer von unseren Soldaten, oder? Was heißt da vergessen? Der Kommandeur warf Ilan einen drohenden Blick zu und löste sich aus seinem Griff. Sie standen sich gegenüber, und inzwischen trällerte Avram und kündigte auf Englisch einen Wettbewerb zwischen einer bestimmten russischen und einer amerikanischen Big Band an und bat seine Hörer, ihm Postkarten zu schicken, welche der beiden besser wäre.
    Der Kommandeur war klein gewachsen, er wirkte traurig. Sein Gesicht war staubbedeckt. Lass es, sagte er nun sanft, ich sag dir, im Moment können wir nichts für ihn tun. Die ägyptische Armee hat ihn völlig umzingelt, und wir haben da keine Truppen mehr. Und außerdem, flüsterte er, als habe er Angst, Avram könne ihn hören, hör ihn dir doch an, der ist schon … dem ist es schon ziemlich egal, wo er gerade ist, glaub mir. Wie zur Bestätigung brach Avram in ein langes, krächzendes, entsetzlich befremdliches Jodeln aus, und der Kommandeur drehte mit einer schnellen Handbewegung den Suchzeiger weiter und vertauschte Avrams Krächzen mit gebrüllten Befehlen, Schüssen und Angaben der Funkmessbeobachtung, was Ilan auf eine gewisse Art für einen Augenblick sogar logisch erschien, wie ein gesetzmäßiger und unter diesen Umständen akzeptabler Akt.
    Warte, rief Ilan und rannte dem Kommandeur hinterher, hat schon einer mit ihm geredet? Der Kommandeur nickte, ohne stehnzubleiben, am Anfang ja, am ersten Tag hatte er noch ein normales Funksprechgerät dabei, aber das funktionierte dann nicht mehr, und bei dem M.K.6 weiß er wohl nicht, wie man von Senden auf Empfangen umstellt. Das weiß er nicht? äffte Ilan den Kommandeur nach, wie kann es sein, dass er das nicht weiß, was muss man da groß machen, doch nur hören, oder? Der Kommandeur zuckte im Gehen mit den Schultern. Anscheinend hat sein Gerät einen Schaden, sagte er, oder der Typ selbst hat einen Schaden. Abrupt blieb er stehen, drehte sichzu Ilan um, schaute ihn bohrend an und fragte: Und was hast du mit dem? Kennst du ihn?
    Er ist aus Babel , zischte Ilan kurz. Vom Nachrichtendienst? fragte der Kommandeur, und sein Blick verdüsterte sich, als er sagte, das

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