Eine Frau flieht vor einer Nachricht
noch weg.
Er betastet die störrische Strähne.
Vielleicht darf ich dich dann auch rasieren?
Willst du das?
Ich weiß nicht, es nervt mich, dich so mit Bart zu sehen.
In Ordnung.
Vielleicht nur die Spitzen, mal sehn. Wir bringen dich ein bisschen in Form.
Bin ich nicht mehr genug in Form?
Sie schauen sich an. In den Augen der Funke eines Lächelns.
Bring auch Salz und Pfeffer mit, und das Öl ist fast alle.
Batterien für die Taschenlampe brauchen wir auch, oder?
Und Schokolade. Ich hab Lust auf was Süßes.
Noch was, mein Lieber?
Beide spüren diese Zartheit. Avram zuckt mit den Schultern. Ich hab mich an dich gewöhnt.
Pass auf, du könntest abhängig werden.
Wohin wird uns das führen, Ora?
Sie legt ihren Finger auf seine Lippen: Erst gehn wir den Weg zu Ende, und dann sehn wir, ja, was für uns gut ist. Sie küsst ihn einmal aufs linke, einmal aufs rechte Auge und wendet sich zum Gehen. Die Hündin schaut von einem zum andern, zögert, ob sie sich Ora anschließen oder bei Avram bleiben soll.
Einen Moment noch, Ora, warte.
Sie bleibt stehen.
Es geht mir gut mit dir, sagt er schnell und senkt den Blick auf die Hände, ich will, dass du das weißt.
Dann sag es. Sprich es aus. Ich brauche das.
Dass ich mit dir zusammen sein darf, und mit Ofer und mit euch allen. Sein Blick wird warm. Du weißt gar nicht, was du mir da gibst, Ora.
Ich gebe dir nur zurück, was dir ohnehin gehört.
Wieder drücken sie sich aneinander, und plötzlich muss sie daran denken, wie in den Jahren, in denen Avram bereit war, sich mit ihr zu treffen, Ofer immer schon vorher gespürt hatte, wenn sie nach Tel Aviv fahren wollte, wie er unruhig und traurig wurde und manchmal sogar plötzlich hohes Fieber bekam, als wolle er ihr Treffen unbedingt verhindern. Und wenn sie zurückkam, wich er stundenlang nicht von ihrer Seite, beschnupperte sie wie ein Tier, wusste genau, was sie gemacht hatte, und prüfte auch immer geschickt, ob Ilan wusste, wo sie gewesen war.
Er zieht sie fest an sich, hält ihren Hintern mit beiden Händen und murmelt, keine Frau habe einen so schönen gluteus maximus und gluteus medius wie sie. Pass gut auf dich auf in dem Laden, murmelt er in ihr Haar, und beide hören, was er nicht ausspricht: Red nicht zu viel mit den Leuten. Wenn ein Radio läuft, bitte sie darum, es auszuschalten.Und ja keinen Blick auf eine Zeitung. Vor allem vor den Überschriften nimm dich in Acht.
Sie geht los, bleibt ab und zu stehen, dreht sich um, winkt ihm mit ausladenden Bewegungen wie eine Filmschauspielerin und wirft ihm Küsse zu. Die Hände in die Hüften gestemmt, lächelt er, die weiße Pumphose flattert um seine Beine, die Hündin sitzt aufrecht neben ihm. Gut sieht er aus, denkt Ora, die neue Frisur und Ofers Klamotten tun ihm gut; wie er so dasteht, strahlt er Frische und Offenheit aus. Und sein Lächeln! Er kehrt ins Leben zurück, sagt sie vor sich hin, dieses Wandern bringt ihn zurück ins Leben. Was bedeutet das für mich? Welchen Platz werde ich in seinem Leben haben, wenn die Wanderung zu Ende ist? Werde ich überhaupt einen haben?
Moment, sorgt sie sich plötzlich, warum ist die Hündin nicht mitgekommen?
Noch bevor sie den Gedanken zu Ende gedacht hat, beugt Avram sich schon zu der Hündin, gibt ihr einen Klaps, damit sie zu ihr hinläuft.
Eine Stunde später packt sie schweigend die Lebensmittel aus den Plastiktüten des Minimarktes in Kfar Chassidim – »glatt koscher unter rabbinischer Aufsicht der bedeutendsten Autoritäten« – und verteilt Kekse, Cracker, Konservendosen und Tütensuppen auf die Rucksäcke. Ihre Bewegungen sind schnell und kantig.
Ist was passiert, Orale?
Nein, was soll passiert sein.
Du bist so …
Ich bin ganz okay.
Avram leckt sich die Oberlippe, na gut, in Ordnung.
Und einen Augenblick später: Sag mal, Orale …
Was gibt’s?
Hast du Radio gehört? Eine Zeitung gesehen?
Ein Radio gibt’s da nicht, und die Zeitung hab ich mir nicht angeschaut. Komm, lass uns weitergehen. Ich hab genug von dem Ort hier.
Sie schultern die Rucksäcke, laufen am Spielplatz des Kibbuz Jagur vorbei, wählen erst den rot markierten Weg, wechseln dann auf denblau markierten ins Nachal Nachasch und beginnen, den Berg zu erklimmen. Der Tag schmiegt sich noch in Morgennebel und ist zu träge, um aufzuklaren. Binnen weniger Minuten geht es steil nach oben, sie beide und auch die Hündin zwischen ihnen atmen angestrengt.
Warte doch mal kurz, ruft er ihr nach, haben die dir was
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