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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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müsse... Die ewigen Beschuldigungen, daß ich ihn mit meiner Verschwendungssucht ruiniere. Dabei habe ich mir in zwei Jahren kaum ein neues Kleid gekauft, von Schmuck oder irgendwelchen luxuriösen Anschaffungen gar nicht zu reden. Und dazu kam der Zynismus, mit dem er mich betrog!«
    »Verzeihen Sie, Anita«, sagte er, »aber Dyrenhoff stellte es mir so dar, als hätten andere Frauen in seinem Leben keine Rolle gespielt. Jedenfalls kam davon im Prozeß nichts zur Sprache...«
    »Natürlich nicht! Oder glauben Sie, mir lag etwas daran, auch noch diese schmutzige Wäsche vor der Öffentlichkeit auszubreiten?! Die Scheidungsgründe, die ich anführte, waren peinlich genug!«
    Werner stand auf. Er ging an den Servierwagen, nahm einen Schwenker und die Cognacflasche heraus und goß sich, ohne erst um Erlaubnis zu fragen, einen doppelstöckigen ein und kippte ihn herunter. Es sah aus, als müsse er etwas zu sich nehmen, damit ihm nicht übel würde.
    »Wissen Sie, was ich an Ihrer Stelle getan hätte?« fragte er und atmete tief durch, »ich hätte den Kerl umgebracht! Ich hätte ihn vergiftet oder ich hätte ihm mit einem Beil über den Schädel geschlagen, egal, was dabei für mich herausgekommen wäre!« Und fast wild wiederholte er: »Jawohl, genau das hätte ich getan!«
    Und er empfand es als erlösend, als er sah, daß ihre Schultern zu zucken begannen und daß sich ihre Erregung in einem Tränenstrom löste. Er ließ sie eine Weile stumm weinen, bis er neben ihren Sessel trat und ihr Haar zu streicheln begann: »Beruhigen Sie sich, Anita«, sagte er zart, »weinen Sie sich ruhig aus. Es tut Ihnen gut. Aber vertrauen Sie mir, daß dieser Mann es nicht wagen wird, Sie zu belästigen und zu quälen. Jedenfalls nicht, solange ich hier bin! Ich ziehe in den nächsten Tagen in die Stadt. Das Familienleben wird mir auf die Dauer zu anstrengend. Ich nehme mir ein Hotelzimmer in Ihrer Nähe. Und Sie brauchen mich nur anzuläuten, wenn es notwendig sein sollte...«
    Sie hob das tränenüberströmte Gesicht zu ihm empor und richtete sich aus ihrer kauernden Stellung auf.
    »Haben Sie schönen Dank für den Kaffee, Anita. Es tut mir leid, daß ich diese Nachricht nicht Dyrenhoff überlassen habe. — Ich will Sie jetzt nicht länger aufhalten. Müssen Sie mich etwa hinunterbegleiten, oder ist die Haustür offen?«
    Sie gab ihm keine Antwort. Sie erhob sich aus ihrem Sessel und ging ihm mit gesenktem Kopf und schlaffen Armen drei oder vier kleine Schritte voran, sie wirkte so müde, als trügen sie ihre Beine kaum. Und in der Mitte des Raumes blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um.
    »Bleib noch...«, sagte sie fast unhörbar und hob die Arme mit einer schutzsuchenden Gebärde, » laß mich jetzt nicht allein. Halt mich fest in deinen Armen. Ich habe solche Angst...«
    Er wurde durch ein Klopfen geweckt und warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Es war halb zehn.
    Christines Stimme machte ihn vollends munter: »Frau Dyrenhoff läßt fragen, ob Sie zum Frühstück herunterkommen wollen?«
    »Sagen Sie ihr, bitte, daß ich in zehn Minuten fertig bin.«
    Er hörte, wie sie sich entfernte und sprang aus dem Bett. Wenn Gerda gemerkt hatte, daß er erst vor fünf Stunden heimgekommen war, mußte er sich auf ein kleines Verhör gefaßt machen. Beim Abschied hatte Anita ihn gebeten, Gerda und Dyrenhoff wenigstens vorläufig nichts von der Änderung seiner Beziehung zu ihr zu erzählen. Als ob es dieser Bitte bedurft hätte... Er trat ans Waschbecken und sah sein Gesicht im Spiegel, und er prüfte sich, als müsse er eine Veränderung entdecken. Aber wenn er überhaupt etwas Fremdes oder Ungewohntes wahrnahm, dann war es höchstens ein Ausdruck des Staunens, als hätte er es selber noch nicht recht begriffen, was in dieser Nacht mit ihm geschehen war. Er war sich über seine Gefühle durchaus nicht klar. Wenn es Liebe war, dann war diese Liebe so unerwartet und so überraschend über ihn gekommen, daß er sich von ihr fast überrumpelt fühlte. Hätte ihm jemand in dem Moment, in dem Anita die Tür zu ihrer Wohnung aufschloß , gesagt, er werde diese Frau eine knappe Stunde später in seinen Armen halten, er hätte den Propheten für verrückt erklärt. Nicht, weil er es sich nicht gewünscht, sondern weil er es für unmöglich gehalten hatte. Auch jetzt noch, im kühlen Tageslicht, mußte er sich besinnen, ob er jene Stunden wirklich erlebt oder nur erträumt hatte. Sein Angebot, Anita vor den befürchteten Belästigungen

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