Eine Frau für Caracas
größere Wohnung, wenn du so weitermachst. Ich weiß wirklich nicht mehr, wo ich die Blumen zur Nacht unterbringen soll...«
» Diesesmal sind es nur fünf Rosen...«
Sie nahm sie entgegen und beugte sich mit einer zärtlichen Bewegung über die großen Knospen, deren äußerste Blütenblätter sich gerade zu öffnen begannen; sie waren von einem satten Rot, das wie Samt schimmerte, die dunkelgrünen Blätter glänzten, als wären sie mit Lack überzogen.
»Zerdrück sie nicht...«, sagte sie, als er sie in die Arme zog. »Und zerdrück auch mich nicht...!«
Sie trug ein hautenges Seidenkleid; auf schwarzem Untergrund glühten Chrysanthemenblüten in Goldtönen von einem leuchtenden Chromgelb bis zu bernsteinfarbenem Braun.
»Du bist bezaubernd, Anita«, sagte er ein wenig atemlos; jedesmal , wenn er sie wiedersah, empfand er fast ein Gefühl der Bestürzung über sein Glück, Anita Eyssing zu einem Zeitpunkt begegnet zu sein, in dem sie frei war und seinen Schutz brauchte. Wenn man es sich genau überlegte, war es Severin, dem er dieses Glück verdankte...
Sie fand eine hohe, schlanke Vase für die Rosen und spaltete behutsam die Stiele, ehe sie sie ins Wasser stellte. Er beobachtete sie aus halbgeschlossenen Augen und stellte sich vor, wie sie sich in seinem weißen Haus am Ufer des Guaire bewegen und ihn am Abend erwarten würde, auf der luftigen Veranda, von der Hitze des Tages ein wenig ermattet, den beschlagenen Krug mit eiskalter Limonade neben sich, und ihm in seinem beperlten Glas den erfrischenden Trank zureichend... Und dann die Dusche, und frische Wäsche, und das Gefühl, neu geboren zu sein, und das Nachtmahl zu zweit, und in der Abendbrise, die vom Golf herüberwehte, eine Bummelfahrt durch die Stadt, und dann...
»Worüber denkst du nach...?«
»Ich denke darüber nach, wie schwer ich es mit dir haben werde. Ganz Caracas wird dir zu Füßen liegen... Oder sagen wir lieber: halb Caracas. Die Señores werden dich anbeten, aber die Señoritas werden dich vergiften wollen...«
»Etwa aus Eifersucht?«
»Aus reinem Konkurrenzneid. Sie werden neben dir nichts mehr zu bestellen haben...«
»Ich möchte dich nicht verletzen, Werner, aber seit Tagen quält mich der Gedanke, daß es vielleicht mehr Hilfsbereitschaft und Mitleid mit meiner Furcht als Liebe waren, die dich veranlaßten , mir an jenem Abend zu sagen, daß du mich liebst und daß du mich von hier fortnehmen willst...«
Er dachte nicht mehr daran, daß er sich am Morgen des anderen Tages die gleiche Frage fast mit den gleichen Worten selber gestellt hatte.
»Sei mir nicht böse, Liebling, aber ich finde die Gedanken, die du dir machst, fast ein wenig beleidigend. Ich bin nicht mehr so jung und auch nicht mehr so romantisch, um eine Kavaliersgeste gleich mit einem Heiratsantrag zu verbinden. Und wenn du mich jetzt etwa fragen solltest, warum ich dich liebe, dann kann ich dir nur antworten: weil ich dich liebe. Oder findest du, das sei ein richtiges und logisches Argument? Sehr logisch ist es sicher nicht. Aber was hat Liebe mit Logik zu tun?«
»Nichts, Gott sei Dank nichts — und etwas anderes wollte ich ja auch von dir gar nicht hören...«
»Also gut, mein Herz«, sagte er zärtlich, »jetzt weißt du es ganz genau. Und morgen fahren wir beide nach Gräfelfing hinaus und bereiten den guten Lothar Dyrenhoff schonend darauf vor, daß er sich um eine neue Sekretärin umschauen muß. Aber ich möchte fast annehmen, daß Gerda das gerade in diesem Augenblick tut. Mir klingt nämlich das linke Ohr...«
»Hast du es ihr gesagt?«
»Sie hat es sich aus ein paar Zahlen errechnet...«
»Ist das ein Witz? Dann mußt du mir die Pointe erklären...«
»Gerda fand unsere Hotelrechnungen aus Garmisch und Rottach im Papierkorb...«
»Ich hätte dich für etwas raffinierter gehalten...«
»Rosario räumt Papierkörbe grundsätzlich nicht auf...«
»Ich werde mich bei Rosario nach den grünäugigen Damen aus Irland und nach den schwedischen Jungfrauen erkundigen!«
»Ich will dir sagen, was mir Rosario beim Abschied erzählt hat, mit rollenden Augen und mit einer Stimme, die vor innerlicher Ergriffenheit zitterte: Don Werner — sagte sie — das traurige Leben, das Sie hier führen, muß ein Ende haben. Es tut nicht gut, wenn ein Mann wie Sie nicht einmal eine kleine Freundin hat! Sie brauchen eine Frau! Sie brauchen nichts dringender als eine liebe Frau, die abends auf Sie wartet und Ihnen einen kühlen Trunk reicht. Und ich weiß, daß
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