Eine Frau für Caracas
wundervollen Möbeln und kostbaren Teppichen ausgestatteten Raum.
Hinter dem Schreibtisch erhob sich aus einem Armstuhl ein sehr gepflegter alter Herr, randlose Brille mit dünnen Goldbügeln, das schlohweiße volle Haar gescheitelt, er mochte siebzig, sogar fünfundsiebzig Jahre alt sein, aber er wirkte durch etwas Drahtiges in seinem Wesen und durch den modernen dunklen Einreiher und die quergestreifte Krawatte jugendlich. Er kam Werner zwei Schritte entgegen.
»Nehmen Sie Platz, Herr Gisevius«, sagte er verbindlich und deutete einladend auf die kleine Konferenzecke des Zimmers, wo ein schmales, hochmütiges Sofa und drei Stühle mit Sitz- und Rückenplatten in feinster Pointstickerei um einen dünnbeinigen Tisch mit einer rotgrauen Marmorplatte gruppiert waren. »Sie sind Architekt und leben in Caracas, wie mir Frau Störting soeben durchgab...«
»Ja — und als Architekt bewundere ich die Einrichtung dieses Raumes. Die Möbel könnten von Fontaine stammen...«
»Ausgezeichnet! Sie sind ein Kenner... Sie stammen aus der Werkstatt Perciers oder sie wurden nach seinen Entwürfen gearbeitet. Und Fontaine und Percier , nun, das ist, als ob man Zwillingsbrüder voneinander unterscheiden sollte...«
Dr. Eyssing sah Werner prüfend an und lächelte, es war ein knabenhaftes Lächeln, das sehr sympathisch wirkte: »Was ich Ihnen jetzt verrate, bleibt unser Geheimnis...«
»Selbstverständlich...«
»Wenn Sie jemals ein Konferenzzimmer einzurichten haben sollten, Herr Gisevius, so wählen Sie Empire!«
»Besten Dank für den Ratschlag, Herr Dr. Eyssing, aber abgesehen davon, daß ich derartige Möbel drüben nicht auftreiben kann — darf ich um eine Erklärung bitten, warum Sie gerade Empire empfehlen?«
»Weil die Konferenzen erstaunlich kurz ausfallen«, antwortete der alte Herr mit einem listigen Blick, »die Stühle sind nämlich so unbequem, daß kein Mensch es länger als eine halbe Stunde darauf aushält!«
Werner lachte herzlich, und in der gleichen Sekunde war er alle Hemmungen los, mit denen er diesen Raum betreten hatte. Unvorstellbar, daß dieser humorvolle und reizende alte Mann der bösartige, halsstarrige Tyrann sein konnte, als den er ihn sich vorgestellt hatte und als der er ihm geschildert worden war.
»Wie ich höre, kommen Sie in einer privaten Angelegenheit zu mir...«, er sah Werner fragend an, als könne er sich beim besten Willen nicht vorstellen, worum es sich dabei handeln könne.
Werner nahm einen innerlichen Anlauf, er mußte sich eine kleine Sprödigkeit der Stimme wegräuspern: »Es handelt sich um Ihre Tochter, Herr Dr. Eyssing... «
»Um wen?« fragte der alte Herr erstaunt und mit einem Ausdruck, als höre er nicht recht.
»Ich weiß, daß es zwischen Ihnen und Anita Differenzen gegeben hat«, sagte Werner befangen, aber Dr. Eyssing unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
»Das müssen Sie mir noch einmal sagen, Herr Gisevius! Um wen geht es?«
»Um Ihre Tochter Anita. Ich habe nämlich die Absicht, sie zu heiraten, und ich wollte doch versuchen, vorher mit Ihnen...«
»Halten Sie ein!« rief Dr. Eyssing, ihn unterbrechend, »ich weiß nicht, was für eine merkwürdige Verwechslung hier vorliegt, aber bevor Sie weitersprechen, erkläre ich Ihnen mit aller Bestimmtheit, daß ich zwei erwachsene Söhne besitze! Eine Tochter habe ich nie gehabt, leider...!«
»Das ist doch nicht möglich!« stieß Werner hervor und preßte die Fingerspitzen gegen die Schläfen.
»Es tut mir leid«, sagte Dr. Eyssing mit einer Geste des Bedauerns, »aber hier liegt wirklich ein Irrtum oder —«, er zögerte eine Sekunde, »Schlimmeres vor.«
Er nahm die randlose Brille ab, behauchte sie und rieb die Gläser mit dem Seidentuch ab, das er aus seiner Brusttasche zog; es sah aus, als wolle er Werner die Peinlichkeit ersparen, in diesem Moment beobachtet zu werden.
»Sagten Sie Anita Eyssing, Herr Gisevius?«
Werner nickte, er hatte das Gefühl, seine Halsmuskeln seien plötzlich zu kurz: »Ja, Anita Eyssing. Sie war bis zu ihrer Scheidung mit einem Schauspieler namens Severin verheiratet und behauptet, Ihre Tochter zu sein... Allerdings hätten Sie wegen dieser Ihnen aus mancherlei Gründen nicht genehmen Ehe und noch mehr wegen der nachfolgenden Scheidung die Beziehungen zu ihr abgebrochen.«
Dr. Eyssing erhob sich und trat neben Werner, er legte ihm die Hand mit einer fast väterlichen Gebärde auf die Schulter: »Das ist eine häßliche Geschichte, Herr Gisevius«, sagte er behutsam,
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