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Eine Frau für Caracas

Eine Frau für Caracas

Titel: Eine Frau für Caracas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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noch nach Tutzing weiter, in ein eleganteres Restaurant, wo Karin einen Becher mit Früchten, Eis, Sahne und einem Schuß Marascino löffelte, während sich Werner an einem Whisky-Soda labte. Karin genoß die Stunden in vollen Zügen. Sie lag lässig ausgestreckt in ihrem Strecksessel auf der Hotelterrasse, führt ein Löffelchen nach dem andern auf die rote Zungenspitze, beobachtete das Publikum, unter dem sie einen bekannten Filmschauspieler mit seiner sehr hübschen und eleganten Frau oder Freundin entdeckte, und unterhielt sich graziös mit Werner.
    »Du hast etwas an dir, Onkel Werner...«
    »So?« fragte er und sah unsicher an sich herunter.
    »Man merkt es, wenn du ein Restaurant betrittst. Bei anderen Gästen, da schauen die Kellner kaum auf. Aber wenn du kommst, dann spritzen sie heran und schwirren um dich herum. Ich glaube nicht einmal, daß es deshalb ist, weil sie merken, daß du ein reicher Mann bist...«
    »Lieber Gott...!« murmelte Werner, aber er war zu faul, Karin das schöne Märchen von dem reichen Onkel aus Amerika zu zerstören.
    »... nein, ich glaube, sie merken einfach, daß du ein Gentleman
    bist.«
    »Was?!«
    »Eben ein Herr!« sagte Karin mit einer Handbewegung, als hätte sie das Wort in dieser Bedeutung mit einem Schraubenzieher ans Tageslicht geholt. »Und ich möchte einmal eine Dame werden. Eine richtige Dame!«
    »Wie deine Mutter zum Beispiel?«
    Karin zögerte mit der Antwort.
    »Hm, ich weiß nicht, ob Mutti eine Dame ist... Sie ist natürlich eine Dame! Aber so eine Dame, wie ich es meine, ist Mutti eigentlich nicht...«
    »Ein Glück, daß sie das nicht hört!« grinste Werner erheitert; »aber wer ist nun nach deiner Meinung eine richtige Dame?«
    »Ich möchte sagen: Frau Eyssing.«
    »Frau Eyssing?« rief er, aus der schläfrig dahinplätschernden Unterhaltung aufgeschreckt, »wie kommst du darauf, sie als >richtige< Dame zu bezeichnen und dir als Vorbild zu nehmen? Kannst du sie besonders gut leiden?«
    »Leiden?« wiederholte Karin überlegend, »ach, weißt du, Onkel Werner, Damen sind immer ein bißchen abweisend und kühl, man kommt an sie nicht heran, und sie lassen einen auch nicht an sich herankommen...«
    Er merkte, wie sie sich bemühen mußte, diese fremden Gedanken auszudrücken, aber plötzlich interessierte ihn das Gespräch mit Karin brennend.
    »Ich verstehe«, sagte er, »du meinst, daß zum Wesen einer Dame eine gewisse Distanz gehört, nicht wahr?«
    »Genau das!« rief Karin eifrig, »und das finde ich vornehm.«
    »Aber was gehört noch dazu? Was imponiert dir an Frau Eyssing, oder was hast du an ihr Besonderes entdeckt?«
    »Einmal ist sie wunderschön. Aber das muß eigentlich nicht sein. Ich meine, natürlich muß eine Dame auch gut aussehen, aber sie braucht nicht gleich eine Schönheit zu sein. Es steckt etwas anderes dahinter... Bloß ich komme nicht auf das richtige Wort.«
    »Haltung etwa...?«
    »Ja, Haltung! Das ist es! Frau Eyssing bewegt sich immer so, als ob sie sich gar nicht bei uns im Zimmer oder im Garten oder auf der Veranda befindet, sondern auf einer Bühne...«
    »Du meinst also«, sagte er erregt, »sie spielt ihrer Umwelt etwas vor?«
    »Nein, das tut sie nicht... Oder sie tut es doch! Aber eben wie eine ganz große Schauspielerin. Wie die Ingrid Bergman oder die Jennifer Jones, wo man weiß, daß sie spielen, aber sie spielen eben so echt, daß man darüber vergißt , daß sie die heilige Johanna oder die Bernadette nur darstellen!«
    »Und das findest du so erstrebenswert?«
    »Ich finde es schon imponabel «, sagte sie mit einem Ausdruck ihres Schuljargons, »wenn ein Mensch sich immer in der Gewalt hat, und sich nie gehen läßt, und immer Haltung bewahrt. Nicht wie unser Fräulein Dr. Leppschütz , die sich zwar auch die Haare färbt und die Fingernägel lackiert und uns dauernd sagt, wir sollen uns wie junge Damen benehmen. Aber wenn man in der Mathe mal eine Klammer vergißt oder eins von den blödsinnigen Vorzeichen nicht beachtet, dann bekommt sie einen Tobsuchtsanfall. Da nützt der Doktortitel gar nichts, eine Dame wird die nie!«
    Werner lachte, aber innerlich war er perplex, wie scharf dieses kleine Mädchen ihre Umwelt beobachtete und mit welch klarem Blick sie hinter der Fassade das Wesentliche sah.
    »Ach, weißt du, Karin — Dame oder nicht Dame —, ich finde es ein wenig anstrengend, sich immer so zu bewegen, als ob man auf der Bühne steht und von hundert Leuten beobachtet wird. Es hat etwas Künstliches an

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