Eine Frau für Caracas
sich, und ich meine, man sollte vor allem Mensch sein und sich natürlich geben, eben so, wie man ist.«
»Na...?« meinte sie zweifelnd.
»Natürlich nicht allzu menschlich!« grinste er, »sagen wir: wie ein gut erzogener Mensch.«
Das ließ Karin gelten, aber sie meinte, irgendwie fände sie es doch nicht unflott, eine Dame zu werden, eine große Dame natürlich! Was sie sich darunter vorstellte, war nicht so richtig herauszubekommen, und wenn Werner an Fontane dachte, der einmal bemerkt, der Begriff Dame schlösse doch immer etwas leicht Suspektes in sich ein, dann war es wohl das beste, zu einem anderen Thema überzugehen.
Gegen fünf wurde es merklich kühl. Vom See wehte es feucht heran, die Terrasse leerte sich, und als auch der Schauspieler mit seiner Dame verschwand, war auch Karin damit einverstanden, aufzubrechen und heimzufahren. Sie hängte sich in seinen Arm, als sie zum Wagen gingen, und machte dabei so süße Augen, daß die Kellner trotz des noblen Trinkgeldes doch leise Zweifel bekamen, ob es sich bei dem Gast um einen echten Onkel gehandelt habe. —
Er lud Karin daheim ab und fuhr gleich weiter. Ihm lag nichts daran, den heutigen Abend mit Anita in einem Restaurant zu verbringen. Deshalb besorgte er aus einem bekannten Delikatessengeschäft in der Dienerstraße einen kleinen Imbißkorb und eine Deidesheimer Spätlese und läutete um halb sieben an ihrer Wohnungstür. Anita Eyssing hatte sich bereits zum Ausgehen fertig gemacht und trug ein pastellfarbenes Wollkleid, das ihre Figur durch den raffinierten Schnitt zur Geltung brachte. An der Garderobe hing ein Sommerpelz, ein dreiviertellanger Ozelot.
»Ein schönes Stück...!« sagte Werner bewundernd, nachdem er ihre Hand an seine Lippen gezogen hatte.
»Er stammt aus den Zeiten, als mein Vater mich noch verwöhnte«, und mit einem Blick auf den abgestellten Korb, aus dem der Flaschenhals mit der grünen Kapsel hervorschaute, fragte sie, was er aufs heutige Programm gesetzt habe.
»Sei mir nicht böse«, bat er, »aber ich werde allergisch, wenn ich an Hotels und Restaurants denke. Ich habe nichts gegen eine nette, kleine Weinkneipe, die wir später noch besuchen können. Aber ich möchte bei dir zwei ruhige Stunden verbringen und es gemütlich haben. Ich habe uns eine Kleinigkeit mitgebracht, lauter leckere Sachen, die du nur auf den Tisch zu stellen brauchst.«
»Du Armer!« lächelte sie, »wie ich dich bedaure! Dieses ewige Kantinenessen! Montags Gemüseeintopf, dienstags Rinderschmorbraten mit Blaukraut, mittwochs Erbsensuppe und so weiter und so weiter und wochenlang so weiter... Warte, wenn wir erst verheiratet sind, werde ich dir jeden Tag das Essen auf den Bau bringen, wie es alle braven Maurerfrauen tun!«
Sie packte den Korb aus, brachte die appetitlichen kleinen Leckerbissen in ihren hübschen Verpackungen auf den Tisch, legte bunte Servietten auf, holte ein paar Teller und stellte zwei schöne venezianische Kelche vor die Gedecke.
Werner drehte das hochstielige, reich vergoldete und in der Form sehr edle Glas in der Hand.
»Wundervoll...«, sagte er angetan, »und zweifellos sehr alt. Woher hast du diese Gläser? Auch von daheim?«
»Es sind die letzten zwei von einem halben Dutzend, das mir meine Mutter vor Jahren zum Geburtstag geschenkt hat. Ich fürchte fast, sie stammen aus der Sammlung meines Vaters...«
»Sammelte er Gläser?«
»Nicht nur Gläser. Er ist ein leidenschaftlicher Sammler von Renaissancemöbeln und allem, was zu dieser Epoche gehört, Bilder, Gobelins, Hausrat...«
»Diese Gläser sind aber Barock...«
»Deshalb hatte er wahrscheinlich kein Interesse im ihnen. Irgendein Antiquitätenhändler wird sie ihm zugeschickt haben, und dann blieben sie eben liegen...«
»Ich verstehe...«, murmelte Werner und stellte das Glas auf den Tisch zurück. »Du mußt unter kostbaren Dingen groß geworden sein. Bei uns daheim ging es ziemlich einfach zu. Meine Mutter besaß einen Biedermeier-Nähtisch, auf den sie sehr stolz war. Auch ein Erbstück. Aber das war leider alles, was wir jemals geerbt haben. Na ja, die Vorfahren von beiden Seiten waren kleine Bauern und Handwerker. — Und deine?«
»Der erste Eyssing, von dem ich weiß, war Apotheker. Er lebte zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Offenbach und scheint nebenbei ein bißchen gequacksalbert zu haben, wie es zu jener Zeit wohl üblich war. Und Apotheker sind die Eyssings auch geblieben. Erst mein Großvater begann mit der Fabrikation von
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