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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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Standgerichts erledigt.
    Palaver hin und her über die Meldungen im Blättchen Panzerbär. Es sollen tatsächlich zwei Armeen zum Entsatz von Berlin im Anmarsch sein, Schörner von Süd, eine andere von Nord. Treuenbrietzen, Oranienburg und Bernau sollen freigekämpft sein.
    Und wir? Sehr gemischte Gefühle, fast erschrockene. »Nun soll also das Hin und Her losgehen, und wir mitten darin. Sollen wir denn Monate hier unten hausen? Verloren sind wir so und so. Flutscht es beim Iwan nicht, dann kommen eben die Amerikaner aus der Luft. Und bei deren Teppichen gnade uns Gott. Dann sind wir im Keller begraben.«
    Soeben neue Meldung von der Straße: Der Volkssturm ist zurückgewichen, Iwan dringt auf uns vor. Deutsche Artillerie ist an unserer Ecke aufgefahren, ihre Abschüsse dröhnen durch den Keller. Derweil sitzen sechs Frauen im Kreis um ein Tischchen herum, und die Witwe legt der Likörfabrikantin die Karten. Das kann sie perfekt: »Über den kleinen Weg liegt eine Enttäuschung im Zusammenhang mit Ihrem Mann.« (Er hält immer noch mitsamt der rothaarigen Elvira die Stellung in seiner Likörfabrik.)
    Gleich will ich schlafen. Ich freue mich darauf. Randvoller Tag. Bilanz: bin gesund, frisch und frech, die Angst ist im Augenblick so ziemlich fort. Im Hirn heftige Eindrücke von Gier und Wut. Lahmer Rücken, müde Füße, ein Daumennagel abgebrochen, die zerscherbte Lippe brennt. Es stimmt doch: »Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.«
    Nachzutragen: Ein Bild, das ich auf der Straße sah. Ein Mann schob einen Handkarren, auf dem brettsteif eine tote Frau lag. Graue Strähnen, lose flatternd, blaue Küchenschürze. Die dürren, graubestrumpften Beine stakten lang über das hintere Karrenende hinaus. Kaum einer sah hin. War wie früher einmal die Müllabfuhr.
    Freitag, 27. April 1945, Tag der Katastrophe, wilder Wirbel – notiert Samstag vormittag
    Es begann mit Stille. Allzu stille Nacht. Gegen Mitternacht meldete Fräulein Behn, daß der Feind bis an die Schrebergärten vorgedrungen sei und die deutsche Linie bereits vor uns liege.
    Ich konnte lange nicht einschlafen, probierte in Gedanken mein Russisch aus, übte Redensarten, von denen ich annahm, daß ich sie nun verwenden könnte. Heute hab ich zum ersten Mal dem Kellervolk kurz gesagt, daß ich etwas Russisch kann; daß unter dem von mir in jungen Jahren abgegrasten Länderdutzend sich auch das europäische Rußland befand.
    Mein Russisch ist simpel, ist reine Gebrauchssprache, unterwegs aufgepickt. Immerhin kann ich zählen, kann ein Datum benennen und die Buchstaben lesen. Es wird mir rasch wiederkehren, nun, da Übung winkt. Sprachen sind mir immer angeflogen. Russisch zählend schlief ich schließlich ein.
    Ich schlief bis gegen 5 Uhr früh. Hörte dann im Vorraum jemand herumgeistern. Es war die Buchhändlerin, sie kam von draußen, faßte mich bei der Hand, flüsterte: »Sie sind da.«
    »Wer? Die Russen?« Ich bekam kaum die Augen auf.
    »Ja. Soeben sind sie bei Meyer (dem Spirituosenladen) durchs Fenster eingestiegen.«
    Ich zog mich fertig an, kämmte mich, während drinnen im Luftschutzraum die Frau ihre Neuigkeit kundtat. In ein paar Minuten war der ganze Keller auf den Beinen.
    Ich tappte über die Hintertreppe aufwärts in den ersten Stock, wollte unsere paar Lebensmittel verstecken, soweit sie noch nicht versteckt waren. Ich horchte an der zersplitterten, nicht mehr verschließbaren Hintertür. Alles still, die Küche leer. In der Kniebeuge kroch ich zum Fenster hin. Die morgenhelle Straße lag unter Beschuß, man hörte das Klatschen und Pfeifen der Kugeln.
    Um die Ecke biegt russische Vierlingsflak – vier eiserne Giraffen; drohende, turmhohe Hälse. Zwei Männer stapfen die Straße hinauf: breite Rücken, Lederjacken, hohe Lederstiefel. Autos rollen heran, halten am Bordstein. Geschütze rasseln im frühen Tagesschein durch die Straße. Das Pflaster dröhnt. Durch die zerbrochenen Scheiben weht Benzinduft in die Küche.
    Ich ging wieder in den Keller zurück. Wir frühstückten wie unter einem Alpdruck. Trotzdem verzehrte ich zum Staunen der Witwe zahlreiche Brotschnitten. Mir kribbelte es im Magen. Es erinnerte mich an das Schulmädel-Gefühl vor einer Mathematik-Arbeit – Unbehagen und Unruhe, und der Wunsch, daß doch schon alles vorüber wäre.
    Nachher stiegen wir zusammen aufwärts, die Witwe und ich. In ihrer Wohnung staubten wir ab, wischten, fegten und schrubbten mit unserem vorletzten Wasser. Der Teufel weiß, warum wir uns

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