Eine Frau in Berlin
beiden haben hier gelauert.
Ich schreie, schreie... Hinter mir klappt dumpf die Kellertür zu.
Der eine zerrt mich an den Handgelenken weiter, den Gang hinauf. Nun zerrt auch der andere, wobei er mir seine Hand so an die Kehle legt, daß ich nicht mehr schreien kann, nicht mehr schreien will, in der Angst, erwürgt zu werden. Beide reißen sie an mir, schon liege ich am Boden. Aus der Jackentasche klirrt mir etwas heraus. Es müssen die Hausschlüssel sein, mein Schlüsselbund. Ich komme mit dem Kopf auf der untersten Stufe der Kellertreppe zu liegen, spüre im Rücken naßkühl die Fließen. Oben am Türspalt, durch den etwas Licht fällt, hält der eine Mann Wache, während der andere an meinem Unterzeug reißt, sich gewaltsam den Weg sucht. Ich taste mit der Linken am Boden herum, bis ich endlich den Schlüsselbund wiederfinde. Fest umklammere ich ihn mit den Fingern der Linken. Mit der Rechten wehre ich mich, es hilft nichts, den Strumpfhalter hat er einfach durchgerissen. Als ich taumelnd hochzukommen versuche, wirft sich der zweite über mich, zwingt mich mit Fäusten und Knien an den Boden zurück. Nun steht der andere Schmiere, er flüstert: »Schnell, schnell...«
Da höre ich laute russische Stimmen. Es wird hell. Die Tür ist geöffnet worden. Von außen kommen zwei, drei Russen herein, die dritte Gestalt ist eine Frau in Uniform. Und sie lachen. Der zweite Kerl, gestört, ist aufgesprungen. Beide gehen nun mit den drei anderen hinaus, lassen mich liegen.
Ich kroch an der Treppe hoch, raffte mein Zeug zusammen, schob mich an der Wand entlang zur Kellertür hin. Die war derweil von innen verriegelt worden. Ich: »Aufmachen, ich bin allein, keiner mehr da!«
Endlich tun sich beide eiserne Hebel auf. Drinnen starrt mich das Kellervolk an. Jetzt erst merke ich, wie ich aussehe. Die Strümpfe hängen mir auf die Schuhe herunter, das Haar ist zerzaust, die Fetzen des Strumpfhalters habe ich noch in der Hand.
Ich schreie los: »Schweine ihr! Zweimal geschändet, und ihr macht die Tür zu und laßt mich liegen wie ein Stück Dreck!« Und drehe mich um und will fort. Hinter mir erst Stille, dann bricht es los. Alle reden, schreien durcheinander, streiten sich, fuchteln herum. Endlich ein Entschluß: »Wir gehen alle zusammen zum Kommandanten und bitten um Schutz für die Nacht.«
So zieht schließlich ein Häuflein Frauen, auch ein paar Männer dabei, in den dämmrigen Abend hinaus, in die laue Luft, die nach Brand riecht, zum Block gegenüber, wo der Kommandant hausen soll.
Stille draußen, die Geschütze schweigen. Im Torweg drüben lagern Gestalten am Boden, Russen. Einer richtet sich auf, als unsere Gruppe naht. Ein anderer murmelt: »Ach, bloß Deutsche«, und dreht sich wieder um. Drinnen im Hof frage ich nach dem Kommandanten. Aus einer Männergruppe, die in der Tür zum Hinterhaus beisammensteht, löst sich eine Gestalt: »Ja, was wünschen Sie?« Ein großer Kerl mit weißen Zähnen, kaukasischer Typ.
Er lacht aber bloß über mein Gestammel und über das armselige Häuflein, das sich hier beschweren will. »Ach was, es hat Ihnen bestimmt nichts geschadet. Unsere Männer sind alle gesund.« Er schlendert zu den anderen Offizieren zurück, wir hören sie halblaut lachen. Ich, zu unserem grauen Haufen: »Es hat keinen Sinn.«
Ab – der Haufen zieht in den Keller zurück. Ich mag nicht, mag die Kellerfratzen nicht mehr sehen, steige in den ersten Stock hinauf, zusammen mit der Witwe, die um mich herum ist wie um eine Kranke, leise spricht, mich streichelt, mich beobachtet, daß es mir schon lästig ist. Ich will vergessen.
Ich zog mich im Badezimmer aus, zum ersten Mal seit Tagen, wusch mich, so gut es sich mit dem bißchen Wasser machen ließ, putzte mir die Zähne vor dem Spiegel. Da taucht, lautlos wie ein Geist, plötzlich ein Russe im Türrahmen auf, bleich und zierlich. Er fragt, und zwar auf deutsch, mit leiser Stimme: »Wo – bitte – Tür?« Er hat sich offenbar in die Wohnung verirrt. Ich, starr vor Staunen und im Nachthemd, weise ihm stumm den Weg zur Vordertür, die ins Treppenhaus geht. Darauf er, höflich: »Danke.«
Ich hetze in die Küche. Ja, er ist durch die Hintertür eingedrungen. Der Besenschrank, mit dem die Witwe sie verstellt hatte, ist abgerückt. Eben kommt die Witwe die Hintertreppe herauf aus dem Keller. Gemeinsam verrammeln wir aufs neue die Hintertür, aber diesmal gründlich. Wir bauen einen Stuhlturm davor und schieben zum Schluß noch das schwere Küchenbüffet
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