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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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folgt Wanja der Witwe wie ein Hündlein, trägt frische Gläser herzu und wäscht am Spültisch die gebrauchten.
    Ich trank an diesem Abend viel, wollte viel trinken, betrunken werden, was mir auch gelang. Daher Erinnerungslücken. Den Anatol finde ich neben mir wieder, seine Waffen und Sachen rings um das Bett gebreitet... Die vielen Knöpfe und Taschen, und was er alles drinhat... Freundlich, zutunlich, kindlich... Aber Mai geboren, Stier, Stier... Ich glaubte eine fühllose Puppe zu sein, geschüttelt, herumgeschoben, ein Ding aus Holz... Plötzlich steht jemand in dem dunklen Zimmer, läßt eine Taschenlampe aufblitzen. Und Anatol schreit den mit der Lampe rauh an, droht mit Fäusten, und der andere verschwindet... Oder hab ich das geträumt?
    Sehe beim Morgengrauen Anatol im Zimmer stehen und hinausblicken, während es rot ins Zimmer flammt und gelb über die Tapete zuckt. Höre die Kartjuschas heulen, indes Anatol die Arme reckt und spricht: »Petuch paiot«, der Hahn singt. Und wirklich hört man in einer Feuerpause den Hahn unten krähen.
    Als Anatol weg war, stand ich sogleich auf, wusch mich im Bad mit dem kärglichen Wasserrest, schrubbte den Tisch ab, fegte Stummel, Heringsschwänze, Roßdreck auf, rollte den Teppich zusammen und beförderte ihn hinauf auf den Schrank. Schaute ins Nebenzimmer, wo sich die Witwe im Schutze ihres Untermieters eine Lagerstatt auf dem Sofa gerichtet hat, fand beide schnarchend. Es pfiff eiskalt durch die Pappdeckelfetzen vor den Fenstern. Ich fühlte mich erquickt und ausgeruht nach fünf Stunden brunnentiefen Schlafes. Etwas Haarweh; aber nicht mehr. Wieder eine Nacht überstanden.
    Ich rechnete mir aus, daß Sonntag war, der 29. April. Aber Sonntag ist so ein Zivilistenwort, zur Zeit sinnlos. Die Front hat keinen Sonntag.
    Auf Sonntag, 29. April 1945, zurückgeblickt
    Der frühe Tag war erfüllt vom Peitschenknall der Gewehrschüsse. Unten rollten LKWs ab, rollten LKWs an. Rauhe Rufe, Gewieher und Kettengeklirr. Die Feldküche schickt ihren Rauch durch unser scheibenloses Küchenfenster. Unser Herd, mit Kistenbrettern und Latten kümmerlich beschickt, qualmt, daß uns die Augen tränen.
    Durch den Rauch hindurch fragt mich die Witwe: »Sag mal, hast du eigentlich keine Angst?«
    »Du meinst, vor den Russen?«
    »Ja, schon. Ich meine, wegen Anatol. So ein vollgefressener, bulliger Kerl.«
    »Och, der frißt mir aus der Hand.«
    »Und macht dir ein Kind dazu«, sagt die Witwe und stochert in ihrem Herdfeuer.
    Ach so! Ja, das hängt über uns allen. Bis jetzt hab ich mir aber deswegen die geringsten Sorgen gemacht. Wieso eigentlich? Ich versuche es der Witwe zu erklären. Da ist so ein Sprichwort, das ich mal gehört habe: »Auf viel begangenem Wege wächst kein Gras.« Und, da die Witwe diesen Satz für diesen Fall nicht gelten läßt: »Ich weiß nicht, ich hab ein sicheres Gefühl, als könnte mir dies nicht zustoßen. Als wenn ich mich, ganz körperlich gesprochen, dabei verschließen könnte, gegen dies äußerst Unerwünschte zusperren.«
    Auch das läßt die Witwe nicht gelten. Ihr Mann war Apotheker, sie kennt sich aus. Sie sagt, daß sie leider in ihrem wohlbestückten Arzneischrank für solche Fälle nichts Hilfreiches zur Hand habe, mit dem ich mich schützen könnte.
    »Und du selbst?« frage ich zurück.
    Da läuft sie doch wahrhaftig zu ihrer Handtasche, die auf dem Küchenschrank liegt, kramt ihren Personalausweis hervor und hält ihn mir hin, wobei sie auf ihr Geburtsdatum weist, so verlegen, als ob sie sich vor mir entblößte. Tatsächlich wird sie noch in diesem Jahr fünfzig werden, ich hätte sie ein halb Dutzend Jahre jünger geschätzt.
    »Wenigstens die Sorge bin ich los«, meint sie. Und dann: »Na, egal. Wir müssen jetzt schon überlegen, zu wem wir gehen, wenn es doch passiert.« Sie hat ihre Beziehungen, noch durch ihren verstorbenen Mann, so versichert sie mir. »Laß man, ich finde schon Rat, das wirst du los, bestimmt.« Sie nickt entschlossen, wie sie nun den Malzkaffee mit dem endlich kochenden Wasser aufgießt. Und ich stehe da, die Hände auf dem Leib, mir ist ganz dumm. Ich bin aber nach wie vor überzeugt, daß ich diesem Unglück durch mein bloßes Nichtwollen den Weg versperren kann.
    Sonderbar ist, wie die Männer zuerst immer fragen: »Hast du einen Mann?« Was soll man am zweckmäßigsten antworten? Sagt man Nein, werden sie gleich schleckrig. Sagt man Ja und glaubt dadurch seine Ruhe zu bekommen, so geht die Fragerei weiter: »Wo ist

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