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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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vom Leib hält. Offizier, so hoch es geht, Kommandant, General, was ich kriegen kann. Wozu hab ich meinen Grips und mein bißchen Kenntnis der Feindsprache?
    Sobald ich wieder gehen konnte, nahm ich einen Eimer und verzog mich hinunter auf die Straße. Schlenderte auf und ab, spähte in die Höfe, äugte umher, kehrte wieder ins Treppenhaus zurück, gab Obacht. Ich legte mir Sätze zurecht, mit denen ich einen Offizier ansprechen könnte; überlegte, ob ich nicht zu grün und elend aussähe, um zu gefallen. Fühlte mich körperlich wieder besser, nun, da ich etwas tat, plante und wollte, nicht mehr nur stumme Beute war.
    Eine halbe Stunde lang nichts, d. h. keine Sterne. Ich kenne ihre Rangabzeichen und Ränge nicht, weiß nur, daß Offiziere Sterne an der Mütze haben und meistens Mäntel an. Ich sah aber bloß grünes Volk und Hundsgemeine. Wollte es schon für den Tag aufgeben, klopfte bereits an unsere Vordertür, da tat sich an der Wohnung gegenüber, die einem rechtzeitig geflüchteten Hausbewohner gehört, die Tür auf. Ein Besternter. Groß, schwarzlockig, gut genährt. Wie er mich mit dem Eimer sieht, lacht er mich an, radebrecht: »Du – Frau?« Ich lache zurück, überschütte ihn mit meinem besten Russisch. Er ist entzückt, seine Sprache zu hören. Wir schwatzen, albern, kalbern, wobei ich herausbekomme, daß er Oberleutnant ist. Schließlich verabreden wir uns für heute abend, 19 Uhr, in der Wohnung der Witwe. Bis dahin hat er dienstlich zu tun. Er heißt Anatol Soundso, ist Ukrainer.
    »Werden Sie auch bestimmt kommen?«
    Er, vorwurfsvoll: »Aber ganz bestimmt, und so schnell ich kann.«
    Zuerst tauchte gegen 17 Uhr ein anderer, schon fast Vergessener auf: Petka von der letzten Nacht, Petka mit dem Bürstenhaar und dem Romeogestammel. Er bringt zwei Kameraden mit, die er uns als Grischa und Jascha vorstellt. Schon sitzen sie alle drei um unseren runden Tisch herum, noch ein bißchen befangen, wie Jungens, die bei besseren Leuten eingeladen sind. Bloß Petka benimmt sich, als sei er hier zu Hause, führt mich den anderen mit ausgesprochenem Besitzerstolz vor. Die drei räkeln sich auf den Sesseln, fühlen sich wohl. Jascha stellt eine Flasche Wodka hin. Grischa kramt aus einem durchgefetteten Stück der Prawda (es ist die Titelseite, leider alte Nummer) Heringe und Brot heraus. Hausherrenhaft ruft Petka nach Gläsern. Er schenkt ein, schlägt mit der Faust auf den Tisch und kommandiert:
    »Wiypitj nado, austrinken!«
    Die Witwe und ich – und auch der erst vor einer halben Stunde urplötzlich aufgekreuzte Untermieter Herr Pauli, entlassener Volkssturmmann – müssen uns mit an den Tisch setzen, müssen mit den Burschen trinken. Petka legt vor jeden von uns eine Scheibe dunklen, feuchten Brotes auf die Tischplatte, zerteilt dann kurzerhand auf dem polierten Mahagoni die Heringe und drückt uns mit dem Daumen Stücke davon aufs Brot, wobei er uns anstrahlt, als sei dies eine ganz besondere Gunst und Delikatesse.
    Die Witwe erschrickt, rennt nach Tellern. Grischa ist ein Stiller mit einem dauerhaften Schmunzeln um den Mund, seine Stimme knarrt tief, er gibt acht, daß wir alle gleichmäßig vom Brot und den Heringen bekommen. Der kleine, kahlgeschorene Jascha lächelt und nickt nach allen Seiten. Die beiden stammen aus Charkow. Ich kam langsam mit ihnen ins Schwätzen, dolmetschte zwischen Herrn Pauli und den Russen. Wir trinken einander zu. Der Sibiriak Petka lärmt voll Behagen.
    Ich horche immer wieder zur Tür hin und spähe auf die kleine Damenarmbanduhr an Jaschas Arm. Jeden Augenblick erwarte ich Anatol, den herbestellten Oberleutnant – mit Bangen, denn ich befürchte Streit. Petka ist zwar baumstark und sauber gewaschen, aber ein Primitivling und Hundsgemeiner, kein Schutz. Von einem Oberleutnant dagegen verspreche ich mir eine Art von Tabu. Der Entschluß steht bei mir fest. Es wird mir schon etwas einfallen, wenn es soweit ist. Ich griene in mich hinein, komme mir vor wie eine auf der Bühne agierende Person. Was gehen mich die alle an! Bin noch nie so weit von mir selber weg gewesen und mir so entfremdet. Alles Gefühl scheint tot. Einzig der Lebenstrieb lebt. Die sollen mich nicht zerstören.
    Unterdessen hat Grischa sich als »Buchhalter« vorgestellt. Auch unser Herr Pauli, Industriekaufmann, bekennt sich als Buchhalter. Grischa und Herr Pauli haben beide flott getrunken. Sie fallen sich um den Hals, jauchzen: »Ich Buchhalter, du Buchhalter, wir Buchhalter!« Der erste

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