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Eine Frau in Berlin

Eine Frau in Berlin

Titel: Eine Frau in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonyma
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und pfeifend irrte ich wohl eine Viertelstunde drum herum, bis ich mit einer Hausbewohnerin hineinschlüpfen konnte. Oben an der Korridortür noch der wohlbekannte Name. Klopfen und Rufen. Ich gebe mich zu erkennen. Drinnen ein Freudenschrei. Wieder Umarmung mit einer Frau, mit der ich sonst höchstens einen Händedruck tauschte. Der Mann ruft: »Sowas! Da kommt sie angetänzelt, als ob gar nichts wäre!«
    Hastig wechseln Ilse und ich die ersten Sätze: »Wie oft geschändet, Ilse?« – »Viermal, und du?« – »Keine Ahnung, hab mich vom Train zum Major hochdienen müssen.«
    Wir sitzen in der Küche beisammen, trinken echten Tee, zur Feier des Tages herausgekramt, essen Marmeladebrot dazu, berichten... Ja, wir haben alle etliches durchgestanden. Ilse hat es einmal im Keller erwischt, die übrigen Male im ersten Stock, in einer leeren Wohnung, in die man sie mit Kolbenstößen in den Rücken hineingepufft hat. Einer, so berichtet sie, hat sich mit dem Gewehr zu ihr legen wollen. Da hat sie es mit der Angst gekriegt und ihm mit Gesten klargemacht, daß er vorher seine Knarre beiseite legen müßte – was der Kerl auch tat.
    Während wir das Thema beim Wickel hatten, verzog sich Ilses Mann, um, wie er sagte, bei den Nachbarn für mich ein paar Detektor-Neuigkeiten einzuholen. Ilse grinste hinter ihm her: »Tja, das kann er nicht gut hören.« Er quält sich mit Selbstvorwürfen, weil er tatenlos im Keller zurückblieb, während die Iwans seine Frau zwischenhatten. Bei der ersten Vergewaltigung im Keller war er sogar in Hörweite. Es muß ein sonderbares Gefühl für ihn gewesen sein.
    Im übrigen nutzten wir die Abwesenheit von Herrn R. für einen kleinen Weibertratsch. Ilse ist eine verwöhnte Frau, weltgereist, von mondänem Habitus. Was hat sie zu den russischen Kavalieren zu sagen?
    »Kümmerlich«, so sagte sie und zog die Nase kraus. »Denen fällt aber auch gar nichts ein. Simpel und grob, einer wie der andere, so weit ich hier im Haus herumgehorcht habe. Aber vielleicht hast du mit deinen höheren Offizieren bessere Erfahrungen gemacht.«
    »Nein, in dem Punkt nicht.«
    »Mag sein, daß die zu Haus das Neueste an sozialistischer Planwirtschaft haben«, meint Ilse. »In puncto Erotik sind sie jedenfalls bei Adam und Eva stehengeblieben. Das hab' ich auch meinem Mann zum Trost gesagt.« Sie kneift ein Auge zu: »Bei dem knappen Futter ist so ein armer Ehemann natürlich nicht viel wert. Meiner kriegt schon Komplexe deswegen und bildet sich ein, daß die Rote Armee mit ihrer Draufgängerei tatsächlich bei uns Frauen Chancen hätte.« Wir lachten sehr und kamen überein, daß unsere werten Feinde auf freier Wildbahn, als normale Bewerber, in 99 von 100 Fällen nicht die geringsten Chancen bei uns hätten. Allenfalls den Hundertsten würde man hier einer Vorprüfung für wert erachten.
    So tratschten wir und rächten uns mit Spott an denen, die uns demütigten.
    Tatsächlich brachte der Ingenieur einige Neuigkeiten von den Nachbarn mit. Danach soll Berlin eine internationale Stadt für alle Sieger werden und Leipzig die Russenhauptstadt. Es heißt, daß Himmler gefangen sei. Über Adolf immer noch keine sicheren Nachrichten. Während Ilse sehr gelassen wirkte und mit damenhafter Überlegenheit die derzeitigen Zustände glossierte, ist ihr Mann verstört und verwirrt. Seine Laufbahn ist erst einmal zu Ende. Sein Rüstungsbetrieb, soweit noch unverbombt, wird zur Zeit ausgeräumt. Die Russen holen sich die deutschen Maschinen heraus. Unterwegs bin ich mehreren Lastautos mit riesigen Holzverschlägen darauf begegnet. Nun weiß ich, was drin ist. Herr R. fürchtet, daß er sozial absteigen, als Handarbeiter neu beginnen muß. Er giert nach Kontakt und Neuigkeiten, steckt voll Lebensangst und ist krampfhaft bemüht, wieder irgendwo in Lohn und Brot zu kommen. Er hat sich beim Krankenhaus um einen Posten bei der Heizung beworben. Vom Sturz ist er noch betäubt. Wieder einmal sieht man, daß wir Frauen das Stürzen besser aushaken, uns wird nicht so leicht schwindlig dabei. Ilse und ihr Mann lernen beide Russisch. Er faßt, wenn auch widerwillig, eine Übersiedlung nach Rußland ins Auge. Denn »hier fahren sie uns ja die Produktionsmittel hinaus«. Er glaubt nicht, daß uns Deutschen in absehbarer Zeit wieder eine nennenswerte Produktion gestattet werde, hat auch von den Detektor-Nachbarn gehört, daß ganz Deutschland in einen Kartoffelacker verwandelt werden soll. Warten wir es ab.
    Mehrmaliger Abschied. Man weiß

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