Eine Frau mit Geheimnis
Handlanger zuständig, so wie meine Wenigkeit.“
Verwirrt runzelte sie die Stirn. Ein Duke? Ein Handlanger? Als sich die Tür hinter ihr öffnete, spürte sie einen leichten Luftzug.
„Inzwischen habe ich die Madeirakaraffe leer getrunken, Bruderherz“, erklärte eine fremde Stimme. „Soll ich jetzt mit dem Brandy anfangen?“
Dominic war froh, weil seine beiden Brüder ihm halfen, den jungen Russen zu unterhalten. Dadurch boten sie ihm eine Gelegenheit, den Adjutanten zu beobachten und seine Beweggründe einzuschätzen. Und sie halfen ihm auch, die seltsame Fantasie aus Boulogne zu verdrängen. In seinem Herzen weckte Alexandrows bemerkenswerte Stimme immer noch eigenartige Gefühle – die er unbedingt verscheuchen musste.
Verdammt, Alexandrow war ein Mann! Irgendwie musste der dichte Rauch im Stall seinen Verstand benebelt haben.
Energisch konzentrierte er sich auf seine Mission. Er musste Mittel und Wege finden, um den Jungen zu prüfen, der stets auf der Hut war. Bevor Alexandrow sprach, wägte er seine Worte sorgfältig ab. Aber manchmal verriet seine Miene, was er empfand. Zu dieser Schwäche neigt auch meine Mutter, dachte Dominic. Bei einer Frau war dies entschuldbar, bei einem Soldaten nicht. Zum Beispiel hatte Alexandrow deutlich seine Verblüffung über das familiäre Geplänkel der Aikenheads gezeigt. Offenbar hatte er keine älteren Brüder.
„Was haben Sie bisher von London gesehen, Capitaine?“, erkundigte sich Leo. Er wusste, dass Dominic einen Menschen besser beurteilen konnte als er selbst. Und so zog er die Aufmerksamkeit auf sich und überließ es seinem älteren Bruder, seine Schlüsse zu ziehen.
Inzwischen schien sich der junge Russe ein wenig zu entspannen. Lächelnd beugte er sich vor und ergriff sein halb volles Weinglas. In seiner schmalen, jedoch stark wirkenden Hand drehte er es hin und her.
Sicher ein Trick, dachte Dominic. Hatte sich der Junge irgendwann einmal betrunken? War ihm im Rausch einmal etwas Unangenehmes passiert? Schämte er sich dafür?
„Seine Majestät ist erst heute angekommen, Lord Leo. Bisher sah ich nur das Pulteney Hotel und die Kutsche Ihres Bruders von innen. Allerdings nicht lange, da sie sich im Tempo einer einbeinigen Schnecke voranbewegte und …“
„Haben Schnecken in Ihrem Land Beine, Capitaine?“ Wie Jacks gedehnter Tonfall verriet, stach ihn der Hafer. „In England scheinen sie ihre Beine irgendwann verloren zu haben.“
„Oh, ich meinte – ich meinte …“
Großer Gott, der Junge errötete tatsächlich. Nicht besonders männlich, oder? Kein Wunder, dass er den Alkohol mied, wenn er so leicht die Fassung verlor. Gut zu wissen, entschied Dominic.
„Nun, in meiner Familie ist das ein traditioneller Scherz“, fuhr Alexandrow fort, „den man nicht gut übersetzen kann. Ich meinte nur, in dem dichten Gedränge konnte Calders Kutscher nicht weiterfahren, und so gingen wir zu Fuß zum Carlton House. Dieses Gebäude ist fabelhaft eingerichtet.“
„Zu viel vergoldetes Zeug für meinen Geschmack“, murmelte Jack.
„Entschuldigen Sie meinen Bruder“, bat Dominic hastig. „Die Ausstattung von Spielhöllen und dergleichen gefällt ihm viel besser. Allzu oft erlauben wir ihm nicht, an gepflegten Konversationen in der besseren Gesellschaft teilzunehmen. Offen gestanden, wir haben sogar behauptet, er sei gar nicht unser Bruder, sondern ein Wechselbalg.“
In gespielter Entrüstung schnappte Jack nach Luft.
„Unglücklicherweise“, fügte Dominic seelenruhig hinzu, „sieht er mir so ähnlich, dass uns niemand glaubt.“
Alexandrow nickte nachdenklich. „Vielleicht sind auch Sie ein Wechselbalg, Sir. Und Lord Leo, der Ihnen beiden kein bisschen gleicht, ist der richtige Erbe.“
Da brach Jack in Gelächter aus, und Leo grinste breit. „Nun, anscheinend kann unser russischer Gast genauso gut austeilen wie einstecken. An deiner Stelle würde ich in seiner Gegenwart meine Zunge hüten, Dominic.“
„Danke für die Warnung. Ich glaube, Capitaine Alexandrow wurde von seinen Kameraden so oft gehänselt, dass es seinen geistreichen Witz geschärft hat. Stimmt das, Alexej Iwanowitsch?“
„Ich finde, man sollte solche Sticheleien nicht stillschweigend akzeptieren, Sir. Wenn ich meinen Kameraden den boshaften Spott gelegentlich heimzahle, erkennen sie, dass meine Aufgabe nicht nur darin besteht, sie zu amüsieren.“
„Wie wahr“, meinte Dominic. Nach einer kurzen Pause hakte er nach. „Und worin genau besteht Ihre
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