Eine Frau mit Geheimnis
Aufgabe?“
Jetzt zögerte der Russe. „Nun – ich diene im Regiment der Mariupol-Husaren. Vor Kurzem wurde ich zum Adjutanten
Seiner Kaiserlichen Majestät ernannt. Doch das wissen Sie bereits.“
Langsam nickte Dominic. Dann nippte er an seinem Weinglas. „Und darf ich fragen, warum er Sie in sein Gefolge aufgenommen hat?“
„Oh, das lässt sich leicht erklären, Duke“, erwiderte Alexandrow aalglatt. Mittlerweile hatte er sich wieder unter Kontrolle. „Seine Majestät hatte mich jahrelang nicht gesehen. Seit er mir diese Ehre erwies …“ Errötend berührte er das Georgskreuz an seiner Brust. „Weil er ein freundliches Interesse an meinen Fortschritten zeigte, schlug Hofmarschall Wolkonskij ihm vor, ich sollte für die Dauer des Besuchs in England dem Stab Seiner Kaiserlichen Majestät angehören.“
Diese Sätze klingen einstudiert, dachte Dominic, und er fragte sich, ob sie die ganze Wahrheit enthielten. Welcher Monarch würde die Fortschritte eines jungen Offiziers unter so vielen anderen überprüfen? Noch dazu, wenn er ihn jahrelang nicht gesehen hatte? Und da Alexandrow diese Geschichte so prompt erzählte, lag die Vermutung nahe, er hätte etwas zu verbergen.
Dominic beugte sich vor. „Wann haben Sie …?“
In diesem Moment öffnete sich die Tür, und der Butler trat ein. Verärgert über die Störung, hob Dominic den Kopf.
„Verzeihen Sie, Euer Gnaden“, begann Withering, „soeben ist ein Bote eingetroffen. Anscheinend handelt es sich um eine wichtige Angelegenheit. Möchten Sie den Mann empfangen?“
Dominic stand auf. Da der Butler nicht erwähnt hatte, wer der Bote war, handelte es sich wahrscheinlich um etwas Dienstliches, von dem sein russischer Gast nichts erfahren durfte.
„Danke, Withering, ich komme sofort. Ich nehme an, eine neue Sorge des Prinzregenten … Möglicherweise geht es um die Farbe seines Frackrocks.“
Sobald sich die Tür hinter dem Duke geschlossen hatte, erkundigte sich Lord Jack nach Alex’ Familie und ihrem Zuhause. Sie antwortete, so gut sie es vermochte. Dabei versuchte sie möglichst wenig zu verraten. Die beiden Brüder hatten gerade eine lebhafte Diskussion über das gefährliche Thema des Boxsports begonnen, als der Duke zurückkehrte.
„Streitet ihr schon wieder? Noch dazu vor unserem Gast!“ Seufzend schüttelte er den Kopf. „Ich dachte, du hättest bessere Manieren, Jack. Bitte, entschuldigen Sie ihn, Capitaine Alexandrow. Schon immer war er ein ungebärdiger Frechdachs. Und bedauerlicherweise hat Leo niemals gelernt, ihn zu bändigen. Stattdessen verwöhnt er ihn.“
„Wärst du nicht mein Bruder, Dominic, würde ich dich für diese Beleidigung zum Duell fordern!“ Die Hände geballt, sprang Jack auf.
„O nein, wegen dieses schmachvollen Kommentars bin ich zuerst an der Reihe“, murrte Lord Leo.
Der Duke lachte. „Darauf lasse ich mich nicht ein, Leo. Selbst wenn ich die Waffen wählen dürfte, wärst du mir überlegen. Was Jack betrifft – nun ja, wenigstens mit seinen Fäusten weiß er sich zu wehren.“ Er schlenderte zum Tisch, griff nach seinem Weinglas und nahm einen Schluck. „Wenn Sie es gestatten, Alexandrow, werde ich Sie jetzt zum Pulteney begleiten.“
„Danke, nicht nötig, Sir. Ich finde meinen Weg allein.“
„Obwohl Sie kein Wort Englisch sprechen? Nein, mein Freund, der Prinzregent hat mich beauftragt, für alle Mitglieder des Zarengefolges zu sorgen. Und wenn ich Sie auf den nächtlichen Londoner Straßen nicht vor Mord oder Totschlag schütze, würde ich meine Pflichten sträflich vernachlässigen.“
Ein weiterer Protest wäre unhöflich gewesen. Außerdem hatte der Duke wahrscheinlich etwas zu erledigen, das mit der dringenden Nachricht zusammenhing. Nun musste sie herausfinden, was das sein mochte. Major Zass würde einen Bericht erwarten.
„Natürlich bin ich dankbar für Ihre Begleitung, Sir.“
„Wenn Sie bereit sind, Alexej Iwanowitsch …?“
Auf dem Weg durch die Halle legte der Duke brüderlich einen Arm um Alex’ Schultern. Beinahe blieb ihr das Herz stehen, und ein seltsames Schwindelgefühl stieg ihr zu Kopf, als hätte sie mehrere Gläser Champagner getrunken.
Wieso kam ihr ausgerechnet dieser Vergleich in den Sinn? Wo sie doch niemals mehr als nur ein Glas zu sich nahm? Um Himmels willen, was geschah mit ihr?
5. KAPITEL
Trotz der späten Stunde tummelten sich immer noch unzählige Menschen auf den Straßen. Alle wirkten gut gelaunt. Aber der Schnapsgeruch, der in der Luft lag,
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