Eine Frau mit Geheimnis
potenziellen Hochzeitsgäste, auf der sie den Namen des Bräutigams durchgestrichen hatte. Eine originelle Geste, meinen Sie nicht auch?“
„Großer Gott! Nein, das wusste ich nicht. Wird der Prinzregent einen anderen Ehemann für seine Tochter suchen?“
„Vorerst nicht. Er setzt seine Hoffnungen immer noch auf den Prinzen von Oranien. Da sie mit einem königlichen Bräutigam vor den Altar treten muss, besteht wie bei allen arrangierten Ehen die Gefahr, dass sie einander hassen werden.“ Traurig schüttelte er den Kopf, und sein Blick schien in weite Fernen zu schwelgen, als würde er nicht an die königliche Hochzeit denken, sondern an viel wichtigere Dinge.
„Missbilligen Sie arrangierte Ehen, Calder?“
„Nun, ich nehme an, die Institution der Ehe ist notwendig. Aber man sollte seine Wahl mit der gebotenen Vorsicht treffen. Wenn man sich in eine Frau mit hübschem Gesicht und geistreichem Witz verliebt – weiß man, wer sie wirklich ist? Sie sehen doch, welch ein beklagenswertes Schicksal der Prinzregent und seine Gemahlin ertragen müssen. Ihr Verhalten und ihre Gewohnheiten widern ihn an. Als er das herausfand, war es zu spät. Und das passiert vermutlich vielen Männern, die Frauen aus einem anderen Milieu heiraten – oder ihren wahren Charakter nicht erkennen.“
Beklommen spürte Alex, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, und sie hoffte, im Inneren des Wagens wäre es dunkel genug, sodass Calder ihr Erröten nicht bemerkte. Mit seinen Worten könnte er sie meinen … Mühsam schluckte sie, und dann klang ihre Stimme fast normal. „Glauben Sie nicht an die Macht der Liebe?“
Er seufzte verächtlich. „Die gibt es nicht.“
Doch, jetzt weiß ich es …
„Im Lauf der Jahre haben meine Eltern einander lieben gelernt“, fügte er hinzu. „Vielleicht ist das die bessere Methode.“
„Also kannten sie sich vor der Hochzeit nicht?“
„Nicht allzu gut. Ich finde, ein Mann muss sich über die Frau informieren, die er eventuell heiraten wird, mit ihr reden und spazieren gehen, tanzen und dinieren. Außerdem sollte er auf die Meinung anderer hören, seiner Eltern und Freunde.“
„Offenbar ist die Brautschau ein kompliziertes Unterfangen“, sagte sie leichthin. „Kein Wunder, dass Sie noch ledig sind, Calder …“
„Genau genommen bin ich Witwer.“
„Oh, mein Beileid.“
„Danke. Meine Frau starb vor vielen Jahren.“
Abrupt verstummte er. Dieses Thema wollte er anscheinend nicht erörtern. Trotzdem ahnte sie, dass seine Ehe eine Katastrophe gewesen war, so ähnlich wie die des Prinzregenten.
Da der Duke keinen Erben hatte, würde er wieder heiraten müssen. Und nächstes Mal würde er eine erfolgreiche Ehe anstreben. Für eine Ausländerin, die einer fremden Kultur entstammte, würde er sich niemals entscheiden. Ganz egal, wie sehr sie ihn lieben mochte …
Zu Dominics Erleichterung versank Alexandrow in Schweigen.
Wieso um alles in der Welt war er so freimütig gewesen? Irgendetwas hatte der junge Mann an sich, das Dominic bewog, mehr zu verraten, als er beabsichtigte. Er hatte sich gelobt, mit niemandem über seine verstorbene Frau zu reden. Diese Regel sollte er befolgen.
Doch was in der Oper geschehen war, die Konfrontation des Prinzregenten mit seiner Gemahlin, hatte zu viele schlechte Erinnerungen geweckt und seine Zunge gelockert. Ein Mann musste heiraten, um einen Erben zu zeugen, in der Hoffnung auf eine lebenslange Verbindung – womöglich sogar Liebe. Und zahlreiche Männer wurden bitter enttäuscht, so wie er selbst.
Trotzdem musste er wieder eine Duchess wählen, sobald der Besuch des Zaren beendet war, und seine Pflicht erfüllen. Bis jetzt war er keiner Frau begegnet, die seinen Ansprüchen genügt hätte – zumindest keiner Aristokratin.
Diese junge Frau im brennenden Stall, die einen so erstaunlichen Charakter bewiesen hatte … Wenn er sie finden könnte …
Nein, sie war eine Bürgerliche aus Frankreich und eignete sich nicht zur Duchess. Und doch … Manchmal sah er sie in seinen Träumen, immer noch. Klar und deutlich erschien ihr Gesicht, aber wenn er erwachte, erinnerte er sich nicht daran. Nicht einmal, wenn sie neben ihm säße, würde er sie wiedererkennen. Unwillkürlich schaute er zu Alexandrow hinüber, erwartete halb und halb, die verführerische Geistergestalt seiner Träume zu sehen, in Rauch und Flammen gehüllt. Aber was er sah, war ein junger russischer Offizier, der blicklos aus dem Wagenfenster starrte.
In diesem Moment erinnerte
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