Eine Frau mit Geheimnis
Exzellenz, Sie haben mich ganz durcheinandergebracht … Sagten Sie, der Zar würde mich empfangen?“
„So ist es, Duke. Bitte folgen Sie mir.“ Wolkonskij führte ihn durch sein Arbeitszimmer zu einer Tür am anderen Ende des Raums, öffnete sie und verneigte sich. „Eure Majestät, Seine Gnaden, der Duke of Calder.“ Dann trat er beiseite und bedeutete Dominic, die Schwelle zu überqueren.
Zahlreiche Bilder und Spiegel schmückten die Wände des großen Zimmers. Zu Dominics Verblüffung enthielt es fast keine Möbel, nur einen wuchtigen vergoldeten Schreibtisch, hinter dem Seine Kaiserliche Majestät saß und ihn zu sich winkte.
Gehorsam ging Dominic zu dem Tisch und verbeugte sich.
„Seit mehreren Tagen wünschen Sie mich zu sprechen, Duke“, begann Zar Alexander. „Wie ich annehme, geht es um eine wichtige Angelegenheit?“
„Ja, ich denke schon, Majestät.“
„Ein Anliegen Ihrer Regierung?“
„Nein, Majestät, es handelt sich um eine … private Sache. Für mich wäre es sehr wichtig, mit Hauptmann Alexandrow von den Mariupol-Husaren zu reden. Ich habe mich bereits bei seinem Regiment nach ihm erkundigt. Offenbar genießt er gerade seinen Urlaub. Und niemand kann mir sagen, wo er sich aufhält.“
„Wollen Sie ihm schreiben?“
„Nein, Majestät, ich muss persönlich mit ihm sprechen. Wenn ich wüsste, wo er sich befindet, wäre ich bereits zu ihm gefahren. Doch das scheint niemand zu wissen.“
„Hm …“ Nachdenklich klopfte der Zar mit einem Fingernagel auf seinen Schreibtisch. Dann hob er den Kopf und schaute Dominic in die Augen. „Warum wenden Sie sich an mich, Duke? Für einen Regenten ist es etwas ungewöhnlich, als Informationsquelle zu fungieren, wenn es um den Verbleib junger Kavallerieoffiziere geht.“
Unter Zar Alexanders stahlhartem Blick fiel es Dominic schwer, seine Gedanken zu ordnen. Dies war nicht der liebenswürdige, umgängliche Gast des Pulteney Hotels, sondern ein formidabler Herrscher in seinem eigenen riesigen Reich. „Wie Alexandrow erwähnt hat, verdankt er sein Offizierspatent Eurer Majestät. Deshalb dachte ich – verzeihen Sie mir, wenn ich unverschämt bin –, vielleicht wissen Sie, wo er sich aufhält.“ Eine ziemlich lahme Erklärung. Das wusste Dominic.
Und der Zar wusste es auch, was seine ungläubige Miene deutlich genug verriet. „Selbstverständlich bezichtige ich Sie nicht der Lüge, Duke. Sie sind ein Ehrenmann, daran zweifle ich nicht. Aber ich fürchte, Sie haben mir nicht die ganze Wahrheit erzählt. Und solange ich nicht alle Fakten kenne, kann ich nichts tun.“ Die Hände auf dem Schreibtisch gefaltet, wartete er.
Jetzt gab es nur zwei Möglichkeiten. Dominic konnte dem Zaren Alexandras Geheimnis verraten und seine Heiratsabsichten bekunden. Oder er schwieg, und er würde sie verlieren.
Forschend musterte er die strenge Miene des Monarchen. Wusste Seine Majestät, dass Hauptmann Alexandrow eine Frau war? Sicher nicht. Niemals würde er einer Frau gestatten, in einem Husarenregiment zu dienen. Und wenn Dominic ihn darauf hinwies, würde er Alexandra ruinieren. Dann dürfte sie nie mehr zu ihrem Regiment zurückkehren. Und … sie müsste den Duke of Calder heiraten, um ihre gesellschaftliche Ächtung zu verhindern. Insbesondere, wenn sie sein Kind erwartete.
Sollte er sie verraten – oder verlieren?
Bleischwer lag die Last der Entscheidung auf seinen Schultern. Er hatte keine Wahl. Schließlich holte er tief Atem. „Majestät …“
Doch die nächsten Worte erstarben auf seinen Lippen. Es stand ihm nicht zu, die Zukunft der geliebten Frau zu bestimmen. Das würde er aus eigensüchtigen Gründen tun, denn er wollte sein Leben mit ihr verbringen. Und in diesem Moment erkannte er die ganze Tiefe seiner Gefühle. Weil er sie liebte, war er ihr nach Russland gefolgt. Sie bedeutete ihm mehr als alles auf der Welt. Und er würde seine Liebe beweisen, indem er ihr Geheimnis für sich behielt und ihr erlaubte, ihre Zukunft selbst zu gestalten. Selbst wenn er sie nie wiedersehen würde …
„Geht es Ihnen nicht gut, Duke?“
Verdammt! Offenbar war er blass geworden. Kein Wunder! Schwindelgefühle drohten sein Gehirn zu benebeln. Wieso war er so blind gewesen? Wochenlang hatte ihn die Erinnerung an Alex verfolgt, und er verstand jetzt, dass er sie liebte. „Nein, Majestät“, antwortete er mit heiserer Stimme, „vielen Dank, es geht mir gut. Es ist nur – ich befinde mich in einem Dilemma. Um zu erklären, warum ich Hauptmann
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