Eine Frau sein ist kein Sport
– alles in allem – höchstens zwölfmal. Der Knabe kennt also den Vater so wenig, dass er sich Mimik, Gestik und Art zu reden kaum von ihm abgeschaut haben kann.
Aber es gibt halt auch eine »Erbmasse«, und darum wirkt Frau Z.s Sohn oft wie der kleine »Ableger« seines Vaters.
Wie er den Kopf hält, wenn er zuhört, wie er beim Lächeln die Augen zukneift, die vage Handbewegung, die er macht, wenn er verlegen ist, das Heben der linken Augenbraue, wenn er Erstaunen kundtut, die kleine Kunstpause, die er vor bedeutsamen Halbsätzen einlegt, alles, alles ganz der Papa!
Frau Z. macht das irgendwie zu schaffen. Ist eben nicht ganz einfach auszuhalten, wenn einen ein geliebter Mensch täglich – und sei es ohne Eigenverschulden – an einen verhassten Menschen erinnert.
Gestern nun hockte Frau Z.s Sohn fernschauend im Wohnzimmer, und da sagte Frau Z., relativ freundlich, zu ihm: »Schau dir nicht den blöden Käse da an, räum lieber endlich einmal dein Zimmer auf.«
Und da lehnte sich der Sohn zurück und schaute Frau Z. an. Mit dem ganz gewissen Blick, der sie sechs Ehejahre lang hilflos wütend gemacht hat. Exakt der unermesslich arrogante Blick ihres Geschiedenen war das! Dieser abfällige Blick, der stets besagt hat: Red nur, geht mir bei einem Ohr rein, beim anderen raus!
Und da hat Frau Z. ihrem Sohn eine Ohrfeige gegeben. Eine, wo nachher vier rote Streifen auf der Wange zu sehen waren.
Dabei haut Frau Z. sonst nie, erzieht ganz ohne Gewalt!
Der Sohn war eher verblüfft als seelisch schwer verletzt.
Und Frau Z. entschuldigte sich ja auch sofort danach. »Die Nerven«, sagte sie. »Nur die Nerven!« Von Ärger im Büro redete sie und von schrecklichem Kopfweh.
Für die Wahrheit, also für: »Ich habe gar nicht dich geschlagen, sondern deinem Vater verpasst, was ich seinerzeit versäumt habe«, hätte der Sohn wohl gar kein Verständnis gehabt.
Ganz anders als meine Mutter
Was wollen liebende Mütter ihren Töchtern nie antun? Natürlich das, worunter sie selbst als Kinder besonders gelitten haben!
Diesen Vorsatz hat auch Frau X. Die wurde von ihrer Mutter immer »runtergemacht«. Rein gar nichts hat ihr die Mutter zugetraut, dauernd hat sie ihr andere Kinder »vorgehalten«; dass sie sich an denen ein Beispiel nehmen soll! Zum »Versager« wurde sie gestempelt. Ewig hat sie gehört: »Dafür bist du zu ungeschickt, mit deinen zwei Linken!« Und: »Das Gymnasium schlag dir aus dem Kopf, das schaffst du nicht!« Angeblich wurde ihr sogar gesagt, dass sie wenig Charme habe und mit äußeren Vorzügen nicht gesegnet sei.
Ob es wirklich so gewesen ist, wer kann es wissen? Frau X. jedenfalls hat es so empfunden und sich dadurch minderwertig gefühlt und keinerlei Selbstbewusstsein entwickeln können. Und schon als Kind hat sie sich geschworen, es dereinst besser zu machen.
Nun hat Frau X. seit 15 Jahren eine Tochter und hält sich daran. Von klein auf hat sie ihre Tochter nie »runtergemacht«, immer »aufgebaut«. Stets hat die Tochter zu hören bekommen, dass sie hochintelligent sei, tüchtig, bildhübsch, geschickt, charmant und ... und ... und ...
Frau X. ist perfekt darin, ihrer Tochter alles zuzutrauen. Ist die Tochter verzagt, sagt sie ihr lachend: »Aber klar kannst du das! So ein tolles Mädel wie du! Wär doch gelacht!«
Und was sagt die Tochter? Die beklagt sich bitter. Sie fühlt sich von einer Mutter, die ihr »alles« zutraut, überfordert. Sie sagt, dass sie die Erwartungen, die ihre Mutter in sie setzt, nie erfüllen könne. Die seien viel zu hoch! Dadurch fühle sie sich minderwertig und könne kein Selbstbewusstsein entwickeln.
Da führt also konträres mütterliches Verhalten zum gleichen negativen Ergebnis?
Schaut nur auf den ersten Blick so aus. Näher betrachtet, führt sich Mama X. ja genauso auf wie seinerzeit ihre Mutter, nämlich total »bestimmend und vereinnahmend«. Insofern, als sie es ihrer Tochter nicht gestattet, selbst herauszufinden und zu entscheiden, was sie kann und was nicht, wo ihre Vorzüge und ihre Mängel liegen, kurz: Wer sie ist!
Zu viel Lob kann genauso die Luft abdrücken wie zu viel Tadel. Will es Frau X. wirklich anders als ihre Mutter machen, müsste sie zuerst einmal lernen, sich taktvoll zurückzuhalten und Kommentare, Urteile und Zuspruch nur dann loszulassen, wenn sie darum gebeten wird.
Wie ausgewechselt
Es ist erstaunlich, wie oft Mütter erzählen, dass Sohn oder Tochter plötzlich »wie ausgewechselt« sei. Diese »Auswechslung« fand
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