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Eine Frau sein ist kein Sport

Eine Frau sein ist kein Sport

Titel: Eine Frau sein ist kein Sport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Noestlinger
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ja gar nicht, wo der Nachwuchs unbedacht reden wird. Man hütet sich, vor dem Kind von den fünf Krediten, der unverzollten Kamera, dem Verdacht gegen Onkel Otto und der Erbschleicherei bei Großtante Emma zu reden. Aber dann melden sich Onkel Otto und Großtante Emma für den Sonntag zu Besuch an, und der Papa fragt: »Wann kommen denn die zwei alten Lemuren?«
    Das Kind hört dies und fragt wissbegierig: »Papa, was sind Lemuren?«
    Der Papa sagt, so genau wisse er das auch nicht, holt -weil man den Wissensdurst von Kleinkindern stillen soll – den Lexikonband KRI-MACE, blättert und spricht dann: »Lemure, liebes Kind, kann zweierlei bedeuten. Entweder ist eine Lemure ein altrömisches Gespenst oder ein Halbaffe!«
    Wie soll der arme Papa denn ahnen, dass sein lernfähiger Sohn am nächsten Sonntag den Blick starr auf Erbtante Emma richten und, von dieser nach dem Grund seines intensiven Blickes gefragt, antworten wird:
    »Weil ich schauen will, ob du ein altrömisches Gespenst oder ein Halbaffe bist!«
Wenn die Träume Haken schlagen
    »Ein Ziel vor Augen haben« ist eine dringende Forderung erwachsener Leute an junge Menschen. Ein Ziel zu haben gehört sich! Ohne Ziel, auf das man zustrebt, ist das Leben wertlos und sinnleer!
    Darum fragen ja auch Erwachsene schon kleine Knirpse insistierend danach, was sie einmal werden möchten und wie sie ihr weiteres Leben zu gestalten gedenken. Großer Achtung kann der Knirps gewiss sein, der erklärt, er möchte dereinst Bankbeamter mit fünfzehn Gehältern und Bilanzgeld werden, zwei Kinder und eine blonde Frau haben, in einem Reihenhaus wohnen, einen Mittelklassewagen fahren und seine Rentnertage im Heim »Zum schlohweißen Scheitel« verbringen.
    Da weiß man, dass da ein zielstrebig-sinnerfüllter Mensch heranwächst!
    Nicht so viel Achtung, aber großes Wohlwollen ist den Knirpsen gewiss, die erklären, Hochseefischer, Tormänner oder Torfrauen, Solotänzer oder Biogutsherren und Vater beziehungsweise Mutter von vierundzwanzig Kindern werden zu wollen.
    Dann lächeln die lebenserfahrenen Erwachsenen. Ja, ja, sagen sie, das sind die Träume der Jugend, die Schäume sind. Das gute Kind wird bald einsehen, dass es da nach den Sternen greift. Aber ein Ziel hat es wenigstens und darauf kommt es an!
    Verstört jedoch reagieren Erwachsene, wenn ein Kind überhaupt nicht weiß, was aus ihm einmal werden soll, wenn es sich gar keine »Ziele« setzt. Und wird das Kind älter und weiß noch immer nicht, was sein »Ziel« sein könnte, flippen die Eltern aus.
    »In vier Monaten hat er Matura«, klagen sie. »Und so viel wir auch fragen, er hat keine Ahnung, was er eigentlich will! Das ist doch schrecklich!«
    Ich finde das nicht schrecklich, sondern sehr verständlich. Ich kapiere schon, dass besorgte Eltern gern schöne Gewissheit über die Zukunft ihrer Kinder hätten. Aber in Zeiten wie diesen ist schöne Zukunftsgewissheit nicht einmal für den siebenjährigen Bankkassier garantiert. Und »kein Ziel haben«, wenn man jung ist, hat auch Vorteile. Wer nicht strebsam auf etwas hinlebt und hinarbeitet, ist offener, dampft nicht auf einmal gelegten Schienen dahin, kann Haken schlagen, sich auf kleinen Nebenwegen versuchen, umkehren, Rast machen und allerhand überlegen und erleben, was dem Zielstreber entgeht.
    Neugierde aufs Leben ist eine positive Sache. Wer schon als Kind ein »Lebensziel« hat, kann nicht sehr neugierig sein und ist daher eigentlich sehr arm dran.
Kinder lieben Kitsch
    Ein relativ kleines, aber doch ziemlich lästiges Problem ist in vielen Familien der makabre Schönheitssinn von Kindern. Kinder lieben Kitsch!
    Einen Plastikgartenzwerg finden sie wesentlich schöner als die Venus von Milo. Einem Abziehbild mit schweinsrosa Rosen geben sie den Vorzug vor einer Emailminiatur aus dem Biedermeier.
    Da Kinder aber mit der Venus von Milo und Biedermeierminiaturen wenig zu schaffen haben, wirkt sich das kaum auf das Zusammenleben mit ihren Eltern aus. Aufgeschlossene Eltern nehmen es auch lächelnd hin, dass ihr Kind nicht nach der edlen Kalbsledermappe für die Schulhefte giert, sondern nach einem regenbogenfarbenen Plastikungeheuer mit einem silbernen Batman drauf.
    Schwieriger wird die Sache schon, wenn es um Kleidung geht. Man will seine Kinder ja nicht unterdrücken! Man will ihnen ja den eigenen Willen lassen!
    Aber muss man da wirklich so weit gehen, dass man seiner kleinen Tochter – genau nach Wunsch – einen zitronengelben Rock mit rosa Zickzacksteifen

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