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Eine Frau sein ist kein Sport

Eine Frau sein ist kein Sport

Titel: Eine Frau sein ist kein Sport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Noestlinger
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wo’s Kind nun wohnt. Aber es bleibt noch immer ein Rest daheim bei Mama, in Kästen, Regalen und Kartons. Dann kommt’s Kind zu Besuch, besieht den Rest und sagt: »Kannst alles wegwerfen!”
    Das Kind fliegt dorthin, wo es jetzt daheim ist, die Mama will auftragsgemäß – auch, weil’s nicht übel wäre, zusätzlichen Stauraum zu haben – das verschmähte Hab und Gut entsorgen, aber sie ist dem Auftrag nicht gewachsen! Da ist eine Schachtel mit Briefen, erste, zweite, dritte »große Liebe” des Kindes. Nein, die Mama holt die Briefe nicht aus den Kuverts, sie ist diskret, aber sie kann doch nicht das Schrifttum der jungen Männer, die ihr seinerzeit ans Herz gewachsen waren, die sie gefüttert und getröstet hat, roh in den Altpapier-Container werfen! Das kann sie auch nicht mit den Schulheften und Skripten tun, hieße ja glatt, all ihr Bangen und Daumendrücken vor Prüfungen des Kindes zu entehren. Die drei Jeans, Größe 27? Gewiss wird das Kind nie mehr in eine davon passen, aber sie sind doch »Zeitzeugen”! Und der riesige Papierfächer, made in Japan, also bitte, wochenlang hat’s Kind drum gegreint, endlich hatte die Mama einen Laden eruiert, wo man ihn hatte, und das Kind ist ihr aus Dankbarkeit um den Hals gefallen, obwohl das damals bei ihm nicht mehr alltäglich war. Zudem prosaisch gedacht: Die Poster, Kinkerlitzchen, Perlenketten, Talmi-Armreifen, modischen Nippes haben die Mama allerhand gekostet! Und der kleine plüscherne Garfield war sogar einer der ersten plüschernen Garfields, die’s in Wien gab, gekauft von der Mama in Paris! Das seidene Veilchen-Sträußlein? Keine Ahnung, wer es dem Kind verehrte, aber es baumelte mindestens ein Jahr lang an einem Fädchen vom Plafond über dem Bett des Kindes, damit es dieses beim Erwachen als Erstes erblickte; es muss ihm also sehr viel bedeutet haben.
    Sorry, wenn’s Kind dereinst weinend Mamas »Erbmasse” wird sichten, wird’s verblüfft seine eigene auch wieder übernehmen müssen, aber dann wird’s hoffentlich schon so lang Mama sein, dass es weiß: Keine Mutter ist fähig, des Kindes Vergangenheit einfach in den Müll zu werfen.
Wo ist mein neues Kleid?
    Manchmal sieht man eine Familie mit zwei oder drei Kindern, und alle zwei oder drei – obwohl keine Zwillinge oder Drillinge – sind von Kopf bis Fuß gleich gekleidet. Da möchte man, vor allem wenn man einst selbst das jüngste Kind einer sparsamen Familie war, dem Kleinsten der Gleichgekleideten herzliches Beileid aussprechen, weil man denkt: Armer Wurm, der du die Klamotten der anderen auftragen musst! Jetzt wirst du fünf Jahre im gleichen Anorak-Modell herumrennen!
    Aber einen Vorteil hat solch Geschwister-Uniform: Da muss kein Kind nach textilem Besitztum der Geschwister gieren und sich daran vergreifen. Und das erspart Familien-Ärger! Früher war es wenigstens so, dass nur unter »gleichgeschlechtlichen” Kindern heimliches Entleihen von Oberbekleidung üblich war.
    Aber heute geniert sich der männliche Teen gar nicht, die Jeans seiner Schwester auszuführen. Nicht einmal, dass die mit Maiglöckerl-Parfum besprengt sind, stört ihn. Und die Schwester findet es »affengeil”, zum Lastex-Mini die Lederjacke des sehr großen Bruders überzuziehen. Und dass ein Kind dünn und klein, das andere dick und groß ist, hindert nur das dicke, große Kind am Plündern des geschwisterlichen Schranks! Das kleine, dünne Kind kann ja allemal die »geborgte” Hose hochkrempeln und oben mit einem Gürtel einengen. Und den Pulli trägt es halt als Kleid!
    Halbwegs im Lot bleibt das Problem, wenn der »Borger” relativ ordnungsliebend ist, also nach der »geheimen Entnahme” das benutzte Ding unversehrt wieder in den Schrank tut. Aber jede Mutter zittert vor folgender Situation: Kommt Tochter eins, in Slip und BH, sanft erregt, und fragt kreischend: »Wo ist mein neues Kleid? Das rote!”
    (Tochter zwei sitzt, gesenkten Lockenkopfes, in eine Zeitschrift vertieft.)
    Der Vater schaut sinnend, nickt erinnernd und sagt: »So ein rotes Hangerl war heut’ in der Früh im Bad auf dem Boden! Mit ein paar Flecken drauf. Glaub’, Topfencreme oder so! Ich hab’s zur Schmu ...”
    Weiter kommt der Vater nicht, denn Tochter eins stürzt sich auf Tochter zwei und stößt dabei mehrmals den Schwur aus, dass die Angegriffene in Null-komma-Pepi nimmer am Leben sein wird!
    Was man als Mutter dagegen tun kann? Nichts ... außer eventuell alle Gegenstände wie Scheren, Messer, Dart-Pfeile und sonstiges

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